Cannes, Frankreich.

September 18th, 2011


Côte d’Azur ist doch bisschen anders als Wedding. Vormittags räkelt sich Erntgi am Pooldeck, das menschenleer ist, weil alle Touristen die teuersten Yachten der Welt fotografieren wollen. Erntge findet das großartig, auch weil sie deswegen den Whirlpool für sich hat. Nachmittags traut sich Erntge in ihr Sommerkleid, zwitschert mit dem Liebsten durch die hübsche Altstadt Le Suquet und fotografiert jede enge Gasse. Die Stimmung ist heiter wie das Wetter. Wir mieten uns Strandstühle und einen Sonnenschirm und sitzen am Mittelmeer und schmeißen uns da rein. Erntges Handstand: großartig. Und hinten murmeln die Alpen und auf halben Weg zum Horizont wartet treu das Schiff und zwinkert. Zum Abendbrot essen Ernt’n’Schnuck neun Vollkornstullen und trinken Wein auf dem Achterdeck. Später auf Kammer spielen sie ein schönes Spiel. Dein Döschen, dein Höschen, dein Hund. Jipppiiii.

Rom, Italien.

September 18th, 2011

Rom ist Rockstar. Erntge ist Fan. Mit dem liebsten aller Schnuckberts trubelte es einen Tag lang durch die Hauptstadt Italiens, die nicht nur Goethe für das Zentrum der Welt hielt. Eins ist klar, alle Wege führen nach Rom. Das muss auch so und Erntge glaubt, dass jeder mal sprachlos im Kolosseum stehen sollte und mit Stielaugen im Pantheon. Das Forum Romanum kann keinen kalt lassen, auch weil Schatten rar ist im antiken Herzen der Stadt bei 40 Grad. Wie man dann wieder raus kommt aus Rom, oder wohin man danach geht, ist eine Frage für später. Bei Erntge ist zum Glück alles glasklar: morgen Livorno, übermorgen Cannes und dann Barcelona.

Das Pantheon ist über 2000 Jahre alt. Ist klar, dass da jeder mal hinwill.

Wer den Typen in der Mitte mit einem Geldstück trifft, kommt eines Tages zurück nach Rom. Zwischendrin muss man selber überlegen, wohin man will.

Ajaccio, Korsika.

September 18th, 2011

Erntge hat Bock. Ist trotz Miezekatze auf der Schulter um Acht draußen. Frühstück und los. Ajaccio ist ein kleines Städtchen mit alter Festung und drumrum mit Nebelwolken verhangenen Bergen. Vorne klappern die Yachten und es gibt Parkplätze für fünf fette Kreuzfahrtschiffe. Dementsprechend gestaltet sich die Innenstadt: Bars, Postkartenstände, Restaurants, korsische Spezialitätenläden. Um neun Uhr morgens steht übrigens kein einziger Korse auf der Straße. Die gehört allein den Reisegruppen, Rentnern, und Biker-Touristen vom Schiff, die sich noch vor Erntge hinauf zur Bonaparte-Grotte keuchen. Glückwunsch!

Apropos Bonaparte. Das nervt schon. An vielen Briefkästen prangen politische Botschaften, wie „FN vite“. (Front National – schnell!) An einigen Stellen haben vernünftige Korsen (oder französische Touristen?) ein „FN Bite“ draus gemacht, was irgendwie erleichtert. Jeder Schüler des Lycée Fesche geht während seiner Ausbildung zweimal täglich an einer pompösen analogen Bonaparte-Leuchtwerbung vorbei. Auf der einen Seite glänzt Bonapartes Büste: Empereur de la Nation Française. Auf der Rückseite steht, was man der heranwachsenden Jugend besser ersparen sollte: Honneur et patrie – Ehre und Vaterland. Iiiiiihhh.

Bei der nachmittäglichen Bustour durch die korsischen Berge passiert etwas, was eigentlich sehr sehr lustig sein könnte und ein bisschen nach Erntges Geschmack: Die Reiseleiterin ist komplett durch, wahrscheinlich bekifft. Sie erzählt wirres Zeug dermaßen wirr, dass es sogar die pinken Omis in der Sitzreihe vor Erntge piekt und die entsprechend reagieren. Pikiert nämlich. Die Gäste hinter Erntge nehmen’s nicht so streng und lachen was das Zeug hält. – Bis die Klimaanlage ausfällt.

Bei 40 Grad im Touri-Reisebus durch kurvenreiche, nicht enden wollende Straßen mit einer kaputten Eso-Reiseleiterin zu fahren ist dann nicht so lustig wie Erntge dachte. Eigentlich ist es sogar unaushaltbar. Hab ich schon erwähnt, dass die Alte auf Schwäbisch lallte? In einem Sprechtempo, das diesen Namen gar nicht verdient? Über Kochrezepte und den guten Kampf der guten Korsen gegen das böse Frankreich. Über gute Menschen und ihr gutes Cannabis gegen schlechte Menschen in einer schlechten Welt. Über wie viel besser alles früher war und wie viel schlechter alles heute ist. Wie am Morgen eine Touristin ins Bonaparte-Denkmal gekotzt hätte und wie sich die Damen vom Markt darüber aufgeregt hätten. – Sowas kann sehr weh tun. Auch im Gehirn.

Am meisten weh tat Erntge die fragwürdige politische Haltung der Eso-Ursel. Die scheute sich nämlich nicht, mit ausgeschaltetem Gehirn alles zu verbalisieren, was ihr durch dessen kaputte Reste ging: 9/11 und wem das eigentlich weh tue, Libyen und dass es die Menschen unter Gadaffi ja gut gehabt hätten, wie sie jetzt erfahren habe. Eieiei. Warum ihr keiner das Mikrofon weggenommen hat, fragt Ihr? Ich glaub wegen der 40 Grad im Bus und der Unfassbarkeit der Situation. Erntge hat den Reflex drei bis viermal verspürt und ist doch nicht aufgestanden. Komisch, wie man manchmal Sachen aushält, ohne sich zu wehren.

Wenn die Zeit reicht.

September 7th, 2011

Erntge feiert ihre 40. Absage und das Ende dieses „Sommers” aufm Loveboat. Hilft ja alles nix. Dann schon lieber zukieken, wie es andere Menschen machen. In Italien, Spanien, Portugal, Marokko und auf Korsika. Und sieht’s links zu arg nach EU-Rettungsschirm aus, beruhigt bestimmt der Blick nach rechts in die gelassenen Gesichter der cocktailschlürfenden Hochglanzzombies. An steht also vor allem love aufm boat und Whirlpool statt Wedding. Und wenn die Zeit reicht, verfasst Erntge die längst fällige skandalträchtige Milieustudie aufm Luxusdampfer. Greetz und ahoi!

Anziehn, Pfeffitee raus.

September 5th, 2011

Weil ab heute Herbst ist, war gestern ja letzter (erster?) Sommersonntag. Optimal genutzt hat Erntge den mit lieben Leuten am Wasser und im Boot. Paddeln ging’s auf der Havel bei Potsdam. Heute tut Erntgo alles weh. Daran merkt sie, dass dies Jahr nich richtig Sommer war, sonst hätte sie ja paddelgestählte, vor Muskulatur berstende Oberarme und ein unglaubliches V-Kreuz und denen beiden würde so ein geschmeidiges sonntägliches Gepaddel ja mal überhaupt nichts ausmachen. (Erntge soll sich endlich beruhigen und aufhören, Juni bis August 2011 zu dissen?)

Na jedenfalls war das ganz fantastisch, das Gepaddel, was heut nachschmerzt, weil dies Jahr kein Sommer war. Das Wasser kam Erntge seltsam eigendynamisch schaukelig vor. Erst dachte sie, das läge daran, dass sie aus der Übung war (Ihr wisst schon, war ja dies Jahr nich viel Gelegenheit). Und denn fielen Erntge aber die vielen kleinen und großen Motorboote auf, die viele kleine oder große Wellen machten und zwar in alle Richtungen. Is ja auch klar! Ein Tag vor Herbst, da wollen alle (!) nochmal aufs Wasser. Haben sie auch gemacht und Erntge ja auch. Und schön wars trotzdem, sonne Sonne macht ja auch Spaß.

Jetzt bei Regen, Hagel und Sturm bleibt’s sich wieder schön drinnen, wo Erntge wuselig versucht, zusammen mit drei verrückten Franzosen ein feministisches Musikfestival in Berlin zu organisieren. Hat jemand Geld für uns? Haha, naja. Angesagte Lokationen haben wir schon und die Medienpartnerschaft mit der geliebten Wochenzeitung steht. Mal sehen, was noch kommt. Denn dass was kommt, steht jetzt fest. (Und hier kommt nämlich endlich die Botschaft des wüsten Geschriebs:)

Auf Außenimpulse warten geht okay, kann manchmal aber dauern oder komplett konträr zu angestrebten Zielen verlaufen. Wenn was passieren soll, ist selber machen angesagt. (Das schreibt sich Erntge jetzt dick hinter die Ohren.) (In Spiegelschrift natürlich.)

Qui se hell est-ce?

August 29th, 2011


Dolphing kam heut mit einem Rätsel nach Hause. Wen meint der Reim?  Schickt ihr die Lösung mit nach Krankfreich. Bon voyage, liebstes Meerestier.

Nofrette la chouette.
Nofrette la salopette.
Nofrette la fleurette.
Nofrette la gaufrette.
Nofrette la galette.
Nofrette, c’est la fête.

Nofrette la poète.
Nofrette la Schtroumpfette.
Nofrette la pas Cléopatrette.
Nofrette la côte de bête.
Nofrette la Levrette.
Nofrette, ça va pas la tête.

Mondsurfer.

August 28th, 2011


Seit Menschengedenken… nein. Seit vier Wochen lebt Dolphing mit Erntge. Das ist gut. Dolphing rockt profimäßig die Stadt, deshalb sind Nächte wie die gestrige selten. Wir verbrachten sie zusammen im Museum. Weil da nämlich Lange Nacht war und mensch zu eher ungewohnten Uhrzeiten eher ungewohnt wahrnimmt. Und auf eher schnöden Gemälden, wie der „Taufe Christi“ (Jan van Scorel, Nachfolge, um 1540) doch superste Details wie den Mondsurfer sieht. Juhu! Dolphing und Erntge waren jedenfalls stolz wie Bolle, in 8 Stunden drei Museen geschafft zu haben: alte Schinken und junge Drucke im Kulturforum, 100 Jahre deutsche Filmgeschichte in der Kinemathek und dann noch verquollene Schwarz-Weiß Damen im Gropius-Bau. Die Füße tun immer noch weh,  massieren haben wir uns schließlich nicht lassen. Aber wir wissen jetzt, dass man fürs Museum für Film und Fernsehen schwindelfrei sein muss. (Sind wir.)

Schöne Bilder, schöne Titel.

August 25th, 2011


Und schöne Übersetzungsprobleme! Weil doch jedes Bild (und jede Kunst) einen Titel braucht („Ohne Titel“ ist auch ein Titel), damit es in den Ausstellungskatalogen dieser Welt schubladisiert, nummeriert, eben katalogisiert werden kann, und zwar in allen Sprachen, ergeben sich mitunter Probleme, die wir uns selten klar machen. Das ist wie mit Heinzens Erhards Osterhasen, der zu klein ist und deswegen im Fahrstuhl nicht an den 12. Stock-Schalter kommt. – Wer nicht an den Osterhasen glaubt, kennt auch nicht dessen Probleme.

Aber zurück zur Kausalkette, die noch keine ist, aber auf gutem Wege. Dieses schöne Bild hat Erntge aus dem Museum mitgenommen. Wenn ihr alles zu seltsam wird, zieht es sie nämlich manchmal zu den Surrealisten. Und im Museum Berggruen und parallel in der Sammlung Scharf-Gerstenberg, hat sich ein kluger Kopf folgendes ausgedacht und umgesetzt: surrealistische Werke werden mit Fotografien des ungarischen Künstlers Brassaï kombiniert. Der kannte sie nämlich alle, Matisse, Picasso, Klee. Und fotografierte sie während der Arbeit, zu Hause, im Garten. Was nun klug ist an der Kombination des Kunstwerks mit der Dokumentation eines Ausschnitts der Lebenswelt des Künstlers? Auf diese Weise wird der Bezug zur Realität möglich und eine weitere Deutungsebene eröffnet sich. Picassos Frauenkopf (Tête de femme) von 1906 (a) steht losgelöst von Zeit und Raum für sich und spricht uns an … oder auch nicht. Das Bild aber in seinem authentischen Kontext zu sehen, aufgereiht zwischen anderen Versionen desselben Motivs in Picassos Atelier (b), zwischen Malerwerkzeug und allerlei Utensil, verdeutlicht das Prozesshafte, die Tatsache, dass Kunst eben auch Arbeit ist und lässt zusätzlich Reflexionen über Abhängigkeiten von Kunst und Markt zu.

a) Pablo Picasso, Frauenkopf, 1906, Holzschnitt auf Papier, Kat. Nr. 8

b) Brassaï, Picassos Atelier in der Rue de la Boétie mit seinem Frauenkopf von 1906, 1932, Silbergelatine-Print, – Estate Brassaï, Paris

Blabla, aber was jetz mit der Kausalkette! Ja. Also bei diesem schönen Bild oben, das Erntge aus dem Museum mitgenommen hat und das den netten Mitmenschen in der Bushaltestelle zeigt, mit dem sich sicher jeder leicht identifizieren kann, denn der wartet vielleicht auf den Bus oder Godot oder besseres Wetter oder einen Job oder die große Liebe oder sonstwas Naheliegendes… jedenfalls. Handelt es sich um eine Illustrationsvorlage zu Hans Arps „Weißt du schwarzt du.“ „Weißt du schwarzt du“!!! Hallo!! Erntgo klatscht verzückt in die Hände. An Schönheit und Wahrheit ist dieser Titel nicht einmal vom tollsten Restaurantnamen der Welt (La muse gueule, Sredzkistraße 14) übertreffbar. Ehrlich. Und jetzt schließt sich der Kreis. Schönes Bild, schöner Titel, schönes Übersetzungsproblem. Weil, wie übersetzt man so was! Die engagierten Versuche können sich auf den Kopf stellen und bleiben doch ganz weit entfernt von dem, was gemeint sein kann. Auf dem Titeltäfelchen steht: White/know you, black you und Tu blanchis (tu sais), tu noircis. Wie traurig! Wie schlimm! Wie… kann Erntge gar nicht sagen. Deswegen: ein Hoch. Ein Prosit. Auf was Sprache kann und was nicht. Und auf’s Erforschen des Dazwischen.

Der Spagatpreis.

August 20th, 2011


Geht an diesem Tag an einen Film. Der nicht mehr ganz neu ist, zukünftig aber an Aktualität gewinnen wird. Geht nicht? Doch. Den Film hat Erntgo in der schönen Kulturfabrik um die Ecke angeschaut. Da wo es Open Air Kino ohne lästigen Eintritt gibt und Konzerte und wo im Filmrauschpalast der bejährte Projektor seit ewigen Zeiten rührige Liebesheiraten mit den Themen seiner Filmrollen eingeht und sie an Fidelität unübertreffbar ohrenbetäubend ratternd begleitet. Vielleicht lag’s ja tatsächlich am ursteinernen Knatterprojektor oder doch am zündigen Thema des Films – Four Lions hat Erntge jedenfalls irgendwie umgehauen.

Hätte der Film ein Gesicht, wäre es jung und verschmitzt. Die Nase wäre ein bisschen Rock’n’Roll und die Augen, smart und freundlich, hätten links und rechts je einen exquisiten Fächer aus Lachfalten. Dem Mund sähe man an, dass er dran gewöhnt ist, unliebsame Wahrheiten zu überbringen. Mit britischem Akzent. Hätte er Beine, stünde Four Lions mit einem in der Komödie und mit dem anderen im Drama. Auf seiner Hose stünde protzig die Marke SATIRE. Mit seinen Beinen, wenn er die denn hätte, wäre er immer in Bewegung: rasend, strampelnd, tanzend, steppend vielleicht.

Wer sich traut, lacht was das Zeug hält. Die Witze, die der Film erzählt, sind allerdings schwarz wie die Krähen, die drin, weil als Übungsobjekt verkabelt, explodieren. Es geht um islamistischen Terrorismus, um religiösen Fanatismus und Jihad. Um diese fern-schwammigen Dinge, die uns die Medien unserer Wahl meist in Form von Meldungen über grausame Selbstmordattentate auf den Rand unserer Schirme beuteln. Erntge hat sich an diese Flecken auf ihrem Schirm gewöhnt, latscht halt damit rum und stellt sich kaum Fragen. Und genau hier setzt der Film an.

Erntge hat auch gelacht. Aber immer nur so halb, weil trotz paukenschlag-witziger Übertreibung und feinsinniger Verzerrung Four Lions auf eine Lebenswelt referiert, die für keine Ahnung wie viele Menschen Realität oder Ideal darstellen. Sich selbst in die Luft zu bomben und dadurch im Kampf auf dem Wege Gottes zum Märtyrer zu werden, bleibt schwer nachvollziehbar. Und auch deshalb gewinnt Four Lions heute den Spagatpreis, weil er spritzig unterhaltend islamistischen Terrorismus einerseits konsequent ridikülisiert und andererseits in Facetten klug porträtiert. Wenn in Omars Gutenachtgeschichte der König der Löwen Simba zum mordenden Märtyrer wird; wenn Omar die schnöde Phrasendrescherei seiner religiösen Brüder frustriert; wenn er sich sachlich von seiner Frau verabschiedet bevor er sich in die Luft sprengt, und die das auch noch gut findet, dann sind das ungewohnt schonungslose Ein-Sicht-en, für die der Regisseur Chris Morris beglückwünscht werden muss.

Nicht in die Plastiktüte, Tanztheater kieken!

August 17th, 2011

Auch wenn inzwischen alle ProD-Wahlplakate (Ihr wisst schon, die mit den durchgestrichenen Moscheen drauf und der großen Begeisterung für „Thilos Thesen“) im Kiez mit Farbbeuteln beschmissen und unkenntlich gemacht wurden, läuft nicht alles rosig. Im Gegenteil. Irgendwie is nur noch Mord, Totschlag und nun auch noch Bombe. Weil das keiner aushält, flüchtet sich Erntgi in die schönen Künste.

Eine besonders schöne Kunst findet Erntge grad Tanztheater, auch wenn ihr nicht klar ist, ob dieser Satz so geht. Im Hebbel am Ufer in Kreuzberg gibt’s immer sehr viel Tanztheater, und noch mehr, seit in Berlin Internationales Tanzfest ist. So zeigte auch Emanuel Gat gestern im HAU1 seine neueste Produktion „Brilliant Corners“. Und die hat sich Erntge angekiekt.

Klar muss sich ernt im Foyer immer erst gewöhnen an die kostümierten Hipgirls mit Sektglas in der einen und Kippchen in der anderen Hand. Und an die trendigen untergewichtigen Boys mit den schönen Zähnen. Und daran, dass vielleicht in der Reihe vor ihr genau die Leute sitzen, die immer ihre Bewerbungen ablehnen. Doch! Wenn dann das Licht ausgeht und so die Illusion anknipst, dann ist Erntge immer sehr bereit, sich auf alles einzulassen und wird ganz selten enttäuscht.

Tanztheater sieht gut aus. Sportliche und gesunde Körper wirbeln mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit über die Bühne, die sogar noch für das Publikum reicht. Das in den roten Samtpolstern auch ganz leicht wird und sich einen Teil der Verrenkungen schließlich selbst zutraut.

Tanztheater erzählt Geschichten. Weil es keinen Erzähler gibt, erzählt es die Geschichte, die man hören will. Ganz weit weg von zum Beispiel Orhan Pamuk (durch dessen Schnee sich Erntge grad quält), wird die Geschichte beim Tanztheater ohne Chronologie oder anderen roten Faden in flüchtigen Bildern erzählt. Kurzlebig und vergänglich; kaum wahrgenommen, verschwindet das Bild/die Idee, um sich wieder neu zu konkretisieren, neu zu formieren, einen anderen Zugang zu bieten. Und so kann es auch sein, dass am Ende die 361 Zuschauer ganzen 361 verschiedenen Geschichten zugeschaut haben. Erntge liebt sowas.

Tanztheater kann auch noch gut klingen. Emanuel Gat hat eigens für „Brilliant Corners“ eine Klangcollage angefertigt. Musik und Tanz verschmelzen und fangen alle Sinne ein. Abgeguckt hat er sich die Kompositionsmuster dafür von Thelonius Monk, den Erntge heiß und innig liebt. Juhu!

Erntge hat gestern verstanden, dass Impulse von außen wichtig sind, dass aus der Reihe tanzen eine Gruppe durchaus weiterbringen kann und dass all you need is love.