Archive for the ‘gegenwärts.’ Category

Ernt ist jetzt Nt.

Thursday, January 11th, 2024

Seit E und r so unerwartet urplötzlich losgezogen sind, fehlen nicht nur ein paar Buchstaben in Nts ABC. Tatsächlich fehlen exakt 50%. Und das N von Nt erscheint auch nur ganz selten groß als Buchstabe. Klein Nt hat nix begriffen, tappt weiter halb durchs Dunkel. Es fühlt sich an, als hätte jemand Nt von Kopf bis Bauch die Haut von der Vorderseite sauber mit einem Skalpell aufgetrennt und runtergeklappt. Das sieht nicht schön aus. Da geht jetzt alles ungefiltert rein ins Nt. Da sifft jetzt alles dunkelrot raus. Verletzt und offen und kaputt ist Nt. Und das geht jetzt sicher noch eine Weile so. Wenn heil werden mit verstehen zusammenhängt, dann sieht Nt schwarz: welchen Sinn ergibt denn bitteschön NOPQRSTUVWXYZ? Also außer: Stop, Strunz, Wurst, Zuvor und Zorn? Richtig. NT verkriecht sich und wartet, erwartet nichts mehr.

The weltschlechtst piece of theatre.

Wednesday, December 13th, 2023

Ein Aneurysma winkt an der Abendkasse. Wer versteht schon alles. Verstehen wollen nervt. Dauert zu lange. Zeit hat keine*r. Also: Egal, 2x bitte. Das Stück beginnt. Viiiiiele Zuschauer im Saal. Dunkel. Der Prolog lief wohl schon, shit. Die Bühne erinnert an existenzialistisches Theater. Ok. Krankenhaus, die berühmte Szene, wo der Arzt der Frau sagt, dass nix mehr geht, dass nie wieder was gehen wird. Dass die Familie benachrichtigt werden soll. Stille. OK. Das haben wir tausendmal im Film gesehen, der Plot ist bekannt, weiter bitte. Vorhang, Schnaps, Couch, zwei lallen was und Träne im Knopfloch. Ok. Wieder Vorhang. Och nee, jetzt das Kind. Wieso muss das immer so übertrieben niedlich sein. „Papa ist eingeschlafen, der wacht nicht mehr auf.“ Wie die das sagt. Die wirkt zu gefasst, das kaufen wir ihr nicht ab. Wo haben die die bloß aufgegabelt. Das Kind weint was von nie wieder Lego und Vorhang. Wieder Krankenhaus. Tausend Leute schniefen und schluchzen, die Mutter hätte auf jeden Fall einen Preis verdient, das röhrend-Stotternde klingt wie kurz vor Schlaganfall. Nicht schlecht. Der Chirurg zeigt Bilder, das könnte auch ein Atompilz sein… Verabschiedungsszenen, Piepen. Ob sich der Bruder doch noch ans Krankenbett traut? Kleiner Cliffhanger vor der Pause. Dann raus ins Foyer. Mettbrötchen, Prosecco, einer mampft hinten Snickers. Und weiter, von der zweiten Hälfte erwarten wir wenig. Siehst, hat er sich doch getraut, der Bruder. Jetzt weint er selig. Vorhang. Jetzt holpert’s etwas. Die, die so schlecht schauspielert, also die Mutter des Kindes und die Frau des Toten vom Anfang, wird jetzt von Umarmung zu Umarmung gerüttelt, das mit der Marionette hat sie drauf. Zack, weiter, zack weiter. Maschinell. Ein Band fließt. Es wird deutlich, dass sie als Projektionsfläche für den Schmerz der anderen benutzt wird. Vielleicht der einzig bisher brauchbare Aspekt des Stücks. Das könnte man schreiben. Wenn überhaupt was geschrieben werden sollte. Dann Bestattungsinstitut ok, sehr kalt, aus den Urnen ragen kleine Eiszapfen. Gezackt. Der Bestatter ist schmierig, neben der Tastatur ein vollgerotztes Taschentuch. Die Schwiegereltern loben sich, dieses Institut ausgesucht zu haben. Die Frau kotzt kurz hinter die Tür. Dunkel. Langsam wird es zäh. Wieder das knatternde Fließband der Umarmungen. Einmal dann Paralyse und Hilferuf der Frau. Aussicht auf die Trauerfeier. Einladungen, Ausladungen…. Es zieht sich. Eigentlich reicht es uns. Wir wollen gehen. Beim Aufstehen fällt uns auf, dass nur noch wenige Leute im Saal sind. Die fanden’s also auch scheiße. Ok. Wir sind Ernüchterung gewöhnt, eigentlich kennen wir gar nix andres mehr. Dann also wieder Kneipe.

Wo’s WIZO!

Wednesday, November 15th, 2023

Ernt: Ich hab’s jetz.
W.E.: Mmmmh.
Ernt: Nee, echt, ich weiß jetzt was fehlt.
W.E.: Hattest du was vergessen?
Ernt: Ja!
W.E.: Ok. Und was?
Ernt: WIZO!
W.E.: Meinst du diese Knüppelpunkband aus den 90ern?
Ernt: Ja man! Anneliese Schmidt, wie konnte ich die ganze Zeit ohne sie sein?
W.E.: Du meinst Kannibalismus als Lösung für die Probleme unserer Zeit?
Ernt: Nee, was anderes daran. Ich merk es am Kurzen, wenn der grölt: „Tut tut tut tut tut tut nochmal Schwimmbad.“
W.E.: Bitte? (…) Ah! Tod im Freibad?
Ernt: Du bist gut!!
W.E.: Trotzdem weiß ich nicht was du meinst.
Ernt: Spaß, man! WIZO ist Spassssspunk, es geht um Amüsemang, kennste? Ich meine, er-inn-erst-du-dichhhh?
W.E.: Kopf aus, Körper an, sowas mit intern Endorphindusche?
Ernt: Ganz genau. Ich wünsche mich auf ein WIZO-Konzert mit den ganzen alten Titeln. Anneliese Schmidt, 9247, Do you remember me, und hier, die haben auch ernste Titel gemacht, Brief/Telefon/Tür fand ich immer starko, Quadrat im Kreis sowieso, Die letzte Sau… meine Güte, meine ganze schöne Pubertät‘s back! „Ich bin nicht aus Hessen, ich bin hier nur zu Besuch, du kannst mich gleich vergessen, ich bin das Postleizahlenbuch.“
W.E.: …. Und nu gibt‘s nicht mal mehr Postleitzahlen…
Ernt: Es ist einfach scheiße…
(…)
W.E.: Sie sind übrigens wieder da.
Ernt: SAY WHAT?????

Wo der Lindwurm mit dem Schwanz wedelt.

Sunday, July 23rd, 2023

Wo der Lindwurm mit dem Schwanz wedelt steht ein Haus, das im Sommer sieben Tage lang seine Türen öffnet. Da kommen dann alle rein, die lächeln möchten. Der Tisch steht in einem verwunschenen Garten direkt hinterm Schlagzeug und ist reich gedeckt, er schillert in den leuchtendsten und freundlichsten Farben. Hinten am Teich wohnen die Nagas, dort geht niemand mehr baden, das ist nun ihr Revier. Um den Tisch herum versammeln sich dann dreimal am Tag die Menschen, die lächeln möchten. Manche kennen sich vom Vorjahr. Oder dem Jahr davor. Oder von als alles anfing. Nicht nur dem Lindwurm ist über die Jahre die Puste ausgegangen. Doch strotzt er an diesen sieben Tagen im Sommer vor Lebenslust und sprüht sein Feuerwerk in alle Ecken des Gartens. Es kam schon vor, dass Gäste oder Teile des Hauses Feuer fingen. Erntge hält das heimlich für eine Taktik des Wurms, dank derer er sich alle anderen Tage des Jahres auf seinen Brandlocherfolgen ausruhen kann. Warum auch nicht. In seinem Alter.

Wo der Kindwurm mit der Uhr wedelt wohnen sieben Tage im Sommer diese zwei Menschen, die den Leuten beim Lächeln helfen. Sie machen das sehr leise und sehr laut, ihre Sprache versteht kein Mensch und es hat immer mit Duft zu tun und unzählige Reiskörner fliegen dann über den Hof. An diesen sieben Tagen im Sommer beschiedsrichten sie das Pingpongspiel von Heulen und Lachen vor dem Komposthaufen und alle sind so schön durcheinander. Da ist Zeit. Da ist Raum für alles was von innen kommt, nicht von außen. Manchmal muss Erntge ganz schön kramen. Einst haben die beiden Erntge ein Geheimnis verraten, das Erntge bis heute nicht verstanden hat. Vielleicht nie begreifen wird.

Wo der Sprungturm mit der Treppe trödelt fragt sich Erntge, wie sie etwas vom Flow dieser sieben Tage im Sommer in ihren Alltag gezimmert kriegt, nämlich in den stürmischen Herbst und in den klirrenden Winter und in den tückischen Frühling. Und 254 gegen 3 – wie soll das überhaupt gehen? Erntge weiß natürlich, dass ein bisschen mehr als nichts ist, aber reicht das? Kuladeva, Jangeli, Shikari und Naga… here we go. Mal sehen wie weit. Ein neues Flug-Haustier hat sich jedenfalls schon eingeklinkt und wohnt neuerdings auf dem Balkon. Vielleicht fliegt es ab und zu den Lindwurm grüßen, der mit dem Schwanz wedelt, das würde Erntge freuen.

Wegen Stromausfall.

Thursday, February 9th, 2023

Es ist irgendetwas zwischen Aufräumen und Kämpfen: “Hör auf zu lachen, es geht hier um was!/ Es geht hier um Gott verdammt alles./ Ja, genau. Wie immer./ Wie neulich.”

  • Schreiben
  • Vergänglichkeit
  • Verlust, drohender
  • Keine Ahnung
  • Kulturpessimismus, generell, speziell
  • digital und analog
  • werden & würgen
  • was ist eigentlich twitter
  • Option Kosumverweigerung

Verstehen.

Thursday, January 26th, 2023

Erntge hat’s gut. Liegt gestern doch unverhofft ein Appell im Briefkasten. Bunt, schokoladig, mit Einhorn. Und appelliert effektiv und laut, dass Erntge sogar versteht. Ja, man! Alles klar! Danke. Erntge hört also wieder auf mit Schmollen und Internisieren und Kuhverhalten gegenüber ihren oll-verwollknäulten Gedankenfetzen. Es stimmt ja und nützt ja nix. Es muss raus raus raus und zwar kräftig und so wirr wie es ist.

Mein Film dein Film.

Wednesday, November 2nd, 2022

Ich glaub, deine Leinwand ist defekt. Alles verschwommen und verzerrt. Ich kann gar nich hingucken. Schick ma bitte ´ne Anleitung.

… Nee, immer noch nicht. Die Bilder, die ich dir mal ins Album geklebt hab, … die will ich sehen! Kannst du die abspielen bitte.

… Nein. Es bewegt sich was, das schon, aber nur so mit Knitterstirn und in maulig. Das Kind hängt ständig vor der Linse, man sieht nix, nur Haare und Milchzähnchen.

… Waaas? Na was ich dir mal zum 40. geschenkt habe… da sind auch viele Schwarz-Weiß-Aufnahmen dabei, wo du immer so drauf funkelst und strahlst. Herrmannshagen und Karnin… die Zeit mein ich.

… Ver-was??? Ich hab das nicht verstanden.

… Och menno. Ja schade. Ich muss jetz auch los. Nee, is gut. Nächstes Jahr denn? Ok. Mach’s gut.

Erntge ou l’optimisme.

Tuesday, April 12th, 2022

Erntges Strategien, angesichts des aktuellen welt- und lokalpolitischen Geschehens nicht durchzudrehen, neigen sich dem Ende. Viele davon waren Mist. Der neuste Versuch stammt nun aus dem 18. Jahrhundert und ist von Voltaire. Die bestmögliche aller Welten gibt’s demnach nicht, doch der Held Candide kommt nach irrer Achterbahnfahrt von Enttäuschung zu Enttäuschung zu dem Schluss, „daß wir unsern Garten bestellen müssen.“ (Candide, 112). Das klingt doch irgendwie sinnvoll und handlungsanweisend. „Lasst uns arbeiten, ohne zu räsonieren“, sagte Martin, „das ist das einzige Mittel, das Leben erträglich zu machen.“ (ebda.)

Ok! Erntge verbringt also den 4. Tag infolge im Garten. Drei Dimensionen. Zwei Lieblingsmenschen dabei. Eine Hummel. Zwitschervögel. Blüten. Sound ist Windrauschen. Hirn aus, Grubber an. Handbetrieb. Echtes Unkraut. Echter Muskelkater. Wow. Der Kopf ist aus und abends angenehme körperliche Erschöpfung. … das machen wir jetzt noch ne Weile.

(Voltaire, Candide, Rowohlt Hamburg, 1957)

“Aber der Name ist echt bescheuert.”

Wednesday, February 16th, 2022

Am pekigen Wackeltisch saßen sie so rum. Erntge hatte Fusseln am Mund, die Zotteln waren. Und Nora hatte riesige Ohren.
„Ich hab ma gelesen umso größer das Ohr umso belastbarer sind wir“, murmelte Erntge in ihren Tee.
Noras Stirn knitterte schief. „Ahja?“
Erntge kicherte. „Meine sind total klein. Und fein. Spricht fürn übelzt feinsinnigen Charakter. Mit Blick fürs Wesentliche.“
Nora stöhnte auf. „Man Erntge, du bist echt bekloppt.“
Eine Weile saßen sie so rum. Schweigend. Grinsend. Es tat gut. Alle Buchstaben lagen jetzt auf diesem versifften Tisch. Einige Ausrufezeichen konnte Erntge auch sehen hinter der Zuckerdose. Es tat einfach gut. Die jetzt alle hier versammelt liegen zu sehen in ihrer ganzen schönen durcheinanderness. So wie es eben war. Und ist. An diesem Tisch. Erntge war erleichtert, beschwingt und unfassbar gut drauf.
„Eins noch, Erntge“, sagte da Nora ernst, sodass Erntge kurz bang wurde. „Wieso Nora Noir? Der Name ist echt bescheuert.“
„Ohja, das ist er!“, entgegnete Erntge. „Aber what shall‘s. Andere Sachen sind auch bescheuert.“

La courte présence de l’absente.

Sunday, December 5th, 2021

Bei -43° und zwischen fluoriszierenden Algen passierte es. Nora Noir und Erntge sitzen am Tisch und zack, kippt die Welt links und rechts weg. Vorne und hinten auch. Zwei am Tisch, umgeben von Abgrund. Erntge weiß nicht mehr, ob sie mutig oder verzweifelt war. Das Messer blitzte kurz, als Erntge es anhob und zustach. Erst ins eigene, dann in Noras Herz. Erntge war nicht mehr oder endlich ganz sie selbst. Zitterte wie blöd, heulte, hörte die eigene Stimme wie von 1000 Meilen unter dem Meer.

Erntge traute sich ganz kurz, Nora in die Augen zu sehen. Rechnete mit Wut oder Angst oder sowas. Nein. Da war eine gewisse Faszination in Noras Blick? “Erntge, endlich!”, schien sie ihr zuzuzwinkern. Wie schön sie war. Das war tatsächlich sie. Herrje, da war sie wieder.

Eine Sekunde später, als die Welt wieder um den Tisch herum hochklappte, das Gemurmel wieder einsetzte und neue Eisgewächse sich auf den beschlagenen Scheiben hochrankten, schüttelte sich kurz Erntge. “Was machen wir jetzt mit dieser Sauerei?”, fragte sie und zeigte auf die blutroten, zuckenden Klumpen auf dem Tisch. Erntge musste kurz an das Wort “Herzkompott” denken. Nora aber schüttelte ihren schönen Kopf zurück ins Jetzt und winkte ab: “Erntge, das machen wir später. Ich dank dir. Mach’s gut.” – Und weg war sie wieder. Dunkel, Schneepeeling von vorn und ein unfassbarer klirrender Wind. Später schenkte sich Erntge 3 Schnäpse ein und schlief so schlecht wie noch nie.