Soundtrack: Neutral Milk Hotel.

February 29th, 2008

Ich verbringe Teilzeiten meiner Freizeiten mit Reisen.
Diesmal ging es nach Manchester.

Zunächst ist festzuhalten, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen aktivem und passivem Wissen gibt. Linksverkehr, meine Damen und Herren. Das weiß man ja. Und doch klappert’s mitunter mächtig im Gehirn; das beginnt bei Kreisverkehren, geht weiter beim Anblick der Lenkräder in den Autos und endet mit erleichtertem Seufzen, wenn umsichtige Menschen an unübersichtlichen Kreuzungen Hinweise für Touristenfußgänger hinterlassen:


In Manchester also. Wo die Busse privat und die Museen gratis sind. Wo Briten anders Deutsch sprechen als Franzosen. Wo man stolz zur working class gehört und im Club laut Pink Floyd Lieder mitgrölt. In Manchester, wo man wie in kaum einer anderen Stadt Musikgeschichte lebt. Wo man „street“ ist und ganze Tage in Plattenläden verbringen kann. Wo selbst der Erdboden rockt.

In Manchester, wo es eine andere Spezies Frau gibt. Installierte frau sich in England, striche sie sich besser „Fein“, „Subtil“, „Raffiniert“ und „Intellekt“ aus dem Kopf. Besser ist das nämlich, wenn sie mit den stampfenden Fleischberg-Ladettes mithalten möchte. Die moderne Engländerin ist strunzblöd, rülpst, flucht und hat keine Klamotten in ihrer Größe. Diesen Prolltyp in Frauenformat gibt es übrigens in allen Altersgruppen.

In Manchester, wo man im Supermarkt an der Kasse mit „Cheers, love!“ verabschiedet wird. Wo es das historische York in der Nähe zum Angucken gibt und Liverpool natürlich. (Ist übrigens Europäische Kulturhauptstadt 2008 und viel zu viel für ein Gehirn voll Manchester, zumindest, wenn man wie ich keine Uhr, aber einen Paris-Rückflug im Nacken hat.) Und wo man einen Dilettantismus lebt, der seines gleichen vergeblich sucht. (Natürlich ist niemand bereit, diesen zu perfektionieren.)

In Manchester… wär ich gern öfter.



Manchester liegt in England.

February 21st, 2008

Nach den vielen guten Ratschlägen („Nimm Dir Essen mit!“, „Verabschiede dich von schönen Menschen!“, „Üb Kotzen gegen den Laternenpfahl punkt Elf!“, etc. etc.) fahr ich nu los. Paris-Liverpool-Manchester soll das Ferienprogramm sein und es ist wunderbar. Bisschen denk ich ja, ein Diktiergerät wäre angebrachter als der Fotoknips, aber vielleicht reichen ja die urlaubenden Gehirnzellen, danach soviel Manchester-Akzent als möglich hierher nach Frankreich zu bringen. Im Anschluss versprech ich Monologe zu Manchesterhosen und zum Unterschied von Manchester-liberalismus und Manchester-kapitalismus. Bei Bedarf.

PS: Auf dem Bild sieht man übrigens gut, dass Ihre Majestät (also die von den Engländern) nen ganz schönen Vogel hat.

Samstag ist…

February 16th, 2008



… jedenfalls nicht Selbstmord.

Au chien stupide.

February 13th, 2008

Im “Dummen Hund”, der zweitbesten Bar Nantes, (weil sie da nämlich Rockplatten selbdritt auflegen), schlau werden! (Es braucht lediglich einen verrückten Spanier und Rotwein.)

Il n’y a pas de vaccin contre l’hasard.
Contre les conneries non plus.

(Und: das überhaupt auch gar kein einziges Stück tragisch.)
(Weißt auch Du warum?!)

Danke Rémy.

February 9th, 2008

… Absolute Metaphern, absolute Worte, Fragmentation und Ent-ichung.

Rémy Colombat, großer Germanist aus Paris, hat heute morgen einen schönen Vortrag zu Trakl gehalten. Eigentlich wollte er die Frage beantworten, ob Trakl seinerseits ein moderner Dichter sei. Hat er bestimmt auch. Doch dann kam obscurité, l’autonomie de la langue, référentialité und discursivité und die réhabilitation du “vécu” und denn noch die âme monstrueuse dazwischen. Der Unterschied zwischen Unpersönlichkeit und De-personalisierung auch. Darf ja nicht untergehen.

Alle großen Namen hat er zwischendurch zitiert, Nietzsche zB. (“Das ‘Ich’ des Lyrikers tönt aus dem Abgrund seines Seins.”). Und “Weshalb eigentlich ist der Wirklichkeitsbezug der Sprache so störend und worin besteht die neue ‘Realität’, die in der Dichtung die Sprache selber gewinnt?” (Hans Blumenberg) Kann man sich nämlich echt ma fragen.

Und alles, was ich nun davon behalten hab, sind Rémys schöne Lachfältchen umme Augen und sein bedeutungsschwangerer Satz: “Savoir pourquoi on ne comprend rien, c’est déjà un grand pas.” Aha, wenn ich also rausgekricht hab, warum ich nix verstanden hab, dann ist das bereits ein gewaltiger Schritt. Ich denk ma, dass es am mangelnden Germanistikstudium liegt. Und bin fein raus.

didel didel.

February 7th, 2008

Here comes the sun, here comes the sun
And I say it’s all right

Little darlin’ it’s been a long cold lonely winter
Little darlin’ it feels like years since it’s been here
Here comes the sun, here comes the sun
And I say it’s all right
Little darlin’ the smile’s returning to their faces
Little darlin’ it seems like years since it’s been here
Here comes the sun, here comes the sun
And I say it’s all right

Sun, sun, sun, here it comes
Sun, sun, sun, here it comes
Sun, sun, sun, here it comes
Sun, sun, sun, here it comes
Sun, sun, sun, here it comes

Little darlin’ I feel the ice is slowly meltin’
Little darlin’ it seems like years since it’s been clear
Here comes the sun, here comes the sun
And I say it’s all right

(George Harrison)

Leo Dawidowitsch – kurz Leo.

February 3rd, 2008

In einem Pub. Tim Burton und Johnny Depp. Betrunken. Beide. Sehr sympathisch, wie sie sich kaum auf den Stühlen halten können. Ein Dialog.

T: Johnny. Neuer Film. Bist bei?
J: Jau, Timmi, für dich, ne! Alles.
T: Dasselbe Spiel. Düster. … Sehr. … London.
J: (…kicher).
T: Ne Menge Blut. Viel Blut. Und Du bist so halb tot.
J: Boah, bin ich mit lang. Ey, das gibt wieder Anmecker von Vanessa…
T: Liebe, Rache, Gewalt, Siff und so.
J: Klar, same procedure…
T: Johnny! Aber du musst sing.
J: Oh nä…
T: Doch!
J: … ich mag dich ja, aber… nä… Ey, nexte Woche hab ich Karten für…
T: Wir machen ein Spiel. Ich stell Dir eine einzige Frage.
J: Hey, ich dacht wir wollten uns friedlich abschießen…
T: Weißt du die Antwort nich, dann singste im neuen Film.
J: Was soll das überhaupt sein fürn Film.
T: Ich leg den Sweeny Todd neu auf. Easy peasy.
J: Der Friseur-Typ? Ich spiel aber kein Schwulen!
T: Die Frage! Der Deckname von hier… Trotzki, wie hieß der mit Vornam?
J: Hörma, willst du mich vereiern… boah is mir schlecht.
T: Trotzki, man!!!
J: Pfffff… man, ich muss morgen früh in Flieger… wo is Pete, der hat…
T: Du weißt es nich!

Und so musses gewesen sein. Wieso sonst verschleudert man soviel wertvolle Filmzeit mit Singsang-Blödsinn. Eben! Jemand sollte Johnny Depp ein Lexikon schenken zum Geburtstag. Ein bisschen Allgemeinbildung macht manchmal viel aus.

Metropole gongt.

January 27th, 2008

Das kleine Problem, das ich manchmal mit Nantes habe: es möchte mehr sein, als es ist. Andere Städte, wie Rennes zB., haben längst ihre Kleinstädtigkeit akzeptiert und machen das Beste draus. Das hat Flair, das hat Stil, da steppt der Studentenbär. Angers auch, das kleinste Kaff mit Chateau ruht sich entspannt auf seinem Filmfestival aus. Was total ok ist.

Nur Nantes, nur Nantes möchte immer höher und weiter und mehr und noch moderner und tadaaa! METROPOLE! Da zimmern die diesen Zénith hin in Saint Herblain. Da passen 8000 Leute rein. Da machen die Riesengigs, da kommt im April zum Beispiel Herr Knopfler persönlich und spielt einen auf.

Und nun denkt sich der Zénithchef: “Der Mark Knopfler, das super, da kriegen wir voll viel Geld rein!” Und freut sich. Und dann meint aber der Marketingheini: “Da geht noch was!” Und dem Zénithchef fallen auf einmal die ganzen Leute ein, die sich keinen Mark Knopfler live leisten können. “Genau, die Jungen!, die Studenten müssen wir ansprechen!”, denkt er sich und gebärt die grandioseste Idee der Welt. Ein Festival!

Einen Tag lang (“nee nee, nich diese wilde Gecampe vor der Tür und diese Randalierer und Gröler. Schön sauber solls sein!”), eine Handvoll Bands (ja wie, eine Hand voll, 30 Bands!”) (“…und die dürfen auch noch ihre Freunde mit auf die Bühne bringen!!), Zielgruppe? (“alles. wir wollen alle. alle alle alle!”) – also einen Abend lang 80 Musiker und das Ganze für 7€. Klingt doch nach nem tollen Plan. Dass nebenbei das halbe Bier (Bier?) für 4€ und ein Mineralwasser für 3,50€ verkauft wird, das interessiert dann doch keinen mehr, in der Euphorie des Abends, im Zénith… Franzosen finden es legitim für Alkohol zu zahlen, Kultur dagegen soll für alle sein. Aus Mangel an Kreativität wird zum Anlass des Festivals die Eröffnung des Zéniths genommen (klar was sonst, …und aber zum zweiten Mal schon? – achwas achwas, das machen wir im dritten Jahr wieder so, das merkt gar keiner.)

Gestern war’s soweit. Die Bands, sie kamen pünktlich, sie hörten pünktlich auf. Klaktonclown hat leider ganz beschissene Freunde (schreien und stottern gleichzeitig), so dass das Konzert eher mäßig bis lahm war. Mukta hatte sich Orange Blossom bestellt und wer’s esotherisch mag, war vor der Bühne genau richtig. HipHop gabs auch, Philemon, aber eben HipHop… Die Rock-Connecte hab ich leider verpasst, weil ich Durst hatte. Die Begrüßung schien meistenfalls einstudiert, viele Bands äußerten sich “irre glücklich”, mal im Zénith vor so großem Publikum spielen zu dürfen, erinnerten aber gleich im nächsten Satz daran, dass sie sonst eher auf kleinen Konzerten und Festivals zuhause wären, dass überhaupt die alternative Musikszene in Nantes den Bach runterginge und da hätten sie auch gleich mal ein Lied drüber geschrieben, ja das spielen sie jetzt mal vor. Im Zénith. Hä?

Es gab wenigstens eine schöne Sache gestern Nacht, nämlich den Abschluss des straff durchorganisierten Spektakels: Gong Gong – extrem gelungener Elektro aus Nantes. Hier mal probehören. J’adore. Zwei Schlagzeuger gleich, irre Bühnendeko, bewegliche weiße Projektionsflächen, auf die wirres Visuelles gebeamt wird. Dazu eine Kumpeline mit kurzem Kleidchen, dicken Stiefeln, Nina Hagen in der Stimme und dem Rhyhtmus im Blut. Voll geil.

So und nun? Fazit parat? Anybody?

O tempora, o dolor!

January 21st, 2008

Da sitzen 2 mit Weißwein und kratzen sich am Kopf. Was war doch gleich der Unterschied zwischen Perfekt und Präteritum? Öhem! Ganz einfach. Also… ja. Vorzeitigkeit? Scheißbeispiel. Also Rom. Caesar. Veni vidi vici übersetzen die Franzosen im passé composé. Genau, is ja sozusagen das deutsche Präteritum. Perfekt! (Soviel zum Kultivi-e-rtus.) Also „Ich war in Berlin.“ oder „Ich bin in Berlin gewesen.“?
Oder schlümmer: „Gestern war ich im Supermarkt: Da kam ein Mann ohne Hose und ein anderer sagte ihm: Kasseler! Und er kaufte Kasseler.“ Häh? Aber du sollst nicht reden im Präteritum! Du sollst reden perfekt. …Christin, sollten wir das nich irgendwie genauer wissen?! Das Ganze noch mal: „Gestern bin ich im Supermarkt gewesen. Da ist ein Mann gekommen ohne Hose und ein anderer hat gesagt: Kasseler! Und er hat Kasseler gekauft.“ Klingt auch beschränkt: ist gekommen ohne Hose … Besser also Präteriten? „Ich goss meine Pflanzen.“ – aber wer sagt denn so was? (Wer gießt denn Pflanzen?) Das Präteritum stirbt und wir schauen tatenlos zu. Noch Wein?

Gegenregenlesen.

January 18th, 2008

“Ich möchte dich hassen, aber ich hasse Kunstleder.”
Allein dieser Satz! Erntge kehrt zurück zu den Buchstaben. Besonders wild und wahr und kompakt finden sich deren Kombinationen in Robert Menasses neuem “Don Juan de la Mancha oder die Erziehung der Lust”.
Was ein Buch. Wen interessieren denn bitteschön die Regenstrippen vor dem Fenster, wenn es soviel Exkurs und Wahn zu genießen gibt, drinnen, im warmen Daunengewirr! Nathan kann jedenfalls nicht genießen. Er wär gern Freier Radikaler. Auf die Formel des Standesbeamten (Wollen Sie… aus freiem Willen… in guten wie in schlechten Zeiten…) entgegnet er nach langem Überlegen: “Können Sie die Frage bitte wiederholen?” Nathan sehnt sich vor allem nach Normalität, verliebt sich aber in seine Therapeutin. Und in wen noch? Gleich geht’s wieder in die Daunen…