
Noch frustrierender als der Umstand, dass Erntgos großartiges Monika-Herz-Wanderplakat von den Mitbewohnern täglich unsubtiler mit Müslipackungen, Saftkartons und Benzinkatuschen zugestellt wird, sodass es höchstens noch erahn-, aber schon lange nicht mehr sichtbar ist, also jedenfalls nicht in seiner überbordenden Schönheit und Richtungsweisung… äh. Also noch frustrierender ist eigentlich nur Roberto Bolaños 2666. Auf Seite 598.
Oh man. Dabei war Erntge so beglückt gewesen, so entzückt, so berauscht! Am Anfang. Von Sätzen, die sich waghalsig über sieben Seiten hangelten. Von rasanten Bildern und fetziger Story und schnittigen Chiasmen und überhaupt, der Roberto, der hat eimfach ma die gesamte Palette drauf und wirkt so klug entspannt und weise.
Danke Roberto! Für das Sterbendländliche in Morinis Erschöpfung (173), für die Übertreibung als Form höflicher Bewunderung (180), für die heitere Aussicht selbst nicht zwischen Pantophobie (der Angst vor allem) und Phobophobie (der Angst vor den Ängsten) entscheiden zu müssen (504ff) … na und für das:
Ich weiß nicht, was mich bewogen hat, hierherzukommen, sagte sich Amalfitano nach einer Woche in Santa Teresa. Du weißt es wirklich nicht? Du weißt es wirklich nicht?, fragte er sich. Ehrlich, ich weiß es nicht, sagte er zu sich selbst, und das sagte eigentlich alles. (219)
Alles ganz toll. Aber nu! Ist seit 200 Seiten Kack. Frauenleichen über Frauenleichen, tausende Schicksale, tausende Berufszweige, tausende Figuren geben sich alle drei Sätze Klinken in Hände, um danach niemals wieder aufzutauchen. Erntge hat sich das angeguckt. 200 Seiten lang. Kann auch gut sein, dass da grad was gaaaaanz Großes vorbereitet wird. Was denn aber erst auf Seite 1179 aufgelöst wird? Nä. Nich mit Erntge. Die hat genug, mit Monika genug zu tun….



Nick Cave hat ein neues Buch geschrieben. Nach der Katastrophe von 1989 und „And the Ass saw the angel“ (ganz ehrlich, ey… nee.), versucht er sich 20 Jahre später also am zusammenhängenden Satz und Erntge könnte meinen, er hätte sich während des Schreibens einen gelben Postit mit „Kohärenz!“ drauf über den Schreibtisch geklebt. Also wenn einer wie Nicki überhaupt am Schreibtisch schreibt… Na jedenfalls! “The Death of Bunny Munro” ist sooooo toll! Wirklich! Es rast es ist lustig es ist porno es ist unglaublich banal und dann steckt aber doch alles drin und man lacht laut und heult leise und möchte Bunny ab und zu paar schallern und Bunny jr immer nur in den Arm nehmen und beschützen vor dieser sinnfreien Welt und seinem Vater, dem Vagina-Mann.