Eins zwei drei und ab. Zack ragen schief Beinpaare aus der Ostsee: große, kleine, dünne, dicke, welche mit Haaren, welche mit ohne. Ein helles Kinderlachen gesellt sich zum Zisch des frischkühlen Pils. Frisbeescheiben und Bälle grüßen sich kurz über der Wasseroberfläche. Und Essen knirscht. – Ein Zeltwochenende und Geburtstagsjubelfest liegen hinter uns. Am Ostseestrand, dem schmerzlich Vermissten: wo der Wind das Gestern langsam verweht. Wo alles funkelt: die Sonne beim Auf- und Untergehen und alle Sterne. Erntgi ist wieder zuhause. Sieht sich satt und liebt und liebt und liebt. Jede Muschel, jede Welle, jede Wolke am Endlos-Himmel, das Gelb der Heuballen auf den Feldern, den feuchten Waldboden unter den nackten Füßen, das Lokalradio – und diese irre Geruchsmischung aus Räucherfisch, Butterkeks und Sonnenmilch. Das gibt’s wohl nur hier. Zuhause.
Archive for the ‘gegenwärts.’ Category
Hier, nicht da.
Tuesday, July 13th, 2010Präsens = Zukunft.
Sunday, June 27th, 2010Du nimm das Fahrrad, der Toaster is leider schon weg. Hier Aktendullis nä! Immer gern genommen. Klar is der geil, der Staubsauger. Aber schon wem versprochen. Das Ikea-Dings mit Anweisung zum wieder Auseinanderschrauben geb ich dir am besten auch gleich mit, man weiß ja nie. Türkisch? Nee, kann ich noch nich, aber ich kenn ein, der kann bis zehn zählen. Äh, merhaba oder so? Mhm. Ja nee Telefon is abgestellt jetz. Aber email kannste immer. WG ja. Wedding. Prekariat und so, kennste ja. Na morgen abend nochma zum Trotzkisten penn und denn endlich ab die Post. Istanbul! Jahaa! Iiiiiii-Stannn-Buuu-Huul!! Geilomat. Hui, hier wärmegewitterts übrigens gleich, noch kein Regen aber es grummelt schon. Mit Pauken und Trompeten bitte.
Doppelknoten in der Warteschleife.
Tuesday, June 15th, 2010Der Zeiger zeigt die Zeit. Ticktack noch 14 Tage. Ganz ruhig ist es plötzlich geworden und alles in Erntges Händen ist Abschied. Nix ist schlimmer als Abschiede, die sich ziehen. Will jetzt gern aufstehen und gehen, bleibt aber sitzen und sühlt sich und wühlt sich und beguckt Töpfe, Regenschirme und den ewig-unverzicht-personal-kleinkram. Soll das mit? Weg? Kann man das digitalisieren? Da ist ein Stern auf der Musikanlage, links oben neben dem Markennamen. Der fällt Erntge erst jetzt auf. Die Anlage gabs damals statt Jugendweihe. Weiß sie alles noch. Verdammte Quälerei, Erntge hängt fest in der Warteschleife! Wie haut man der Zeit die Zähne raus?
Kater beißt Ernt. (Aua.)
Sunday, June 13th, 2010Du stinkst Erntge. Fahne haste auch noch. Trink ma den Kaffee hier.
(…)
Achso? Mit deim Besuch oder was?
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Ah, verstehe.
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Du??? Auf der Autobahn? Krass, ich dacht du hättst gar kein Schein.
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Nantes-Rennes, das doch auch n gutes Stück so.
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Glaub ich.
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Hihi, das doch der verrückte Spanier von dem du immer erzählst.
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Ja na klar, steht dir aber voll gut, der Hut. Den kannste ja jetz immer tragen.
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Im Garten?
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Wie süß. Und von denen haste auch die vielen Kratzer aufm Arm? Ja, auch Tierliebe kann weh tun.
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Wie jetz, alle nackich rin da oder was? Und der Spanier?
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Krass, hätt ich nich gedacht, ich dacht das wär son Schnacker.
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Klingt auf jeden Fall richtig geil. Is auch Sommer jetz, ne?
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Ach aufm Bauernhof? Mit Scheune und alles?
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Ein Schwein???
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Na toll, ich dacht Du hättst aufgehört.
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Na bei den Rotweinmassen wundert mich das aber auch nich.
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Haha, und denn habt ihr noch ma aufgedreht, ne? Schön volle Kanne rein ins Mikro und Klausi hat den Tonmeister gemacht? Wie und hat sich keiner beschwert?
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Und „Alle Vögel sind schon da“? Und Schlager auch?
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Wie, zu viert dann im Zelt?
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Krass, na wenigstens haste gleich ne Bahn gekricht.
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Und die andern trampen?
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Ah. Na Erntgi, klingt doch spitze. Geh ma penn oder duschen. Geht ja gleich weiter mit feiern heut abend.
(…)
Jau, bis nachher!
Zoo international.
Saturday, June 5th, 2010
Vielleicht bin ich nicht gemacht für die 40-Stunden-Woche. Ganz sicher bin ich nicht gemacht für die 40-Stunden-Woche in Paris.
Bereits vor den Toren der Stadt bekommt jeder Besucher obligatorisch ein oberirdisches Brüllgefährt zugeteilt (Brüllmoped, Stinkelaster, Sirenenfeuerwehr, Furzbus), das einen dann den gesamten Aufenthalt lang bei allen Zufußgängen durch die Stadt begleitet, also vor allem direkt nebenan stinkt und brüllt. Das ist ein kostenloser Service der Stadt Paris, da sind alle mächtig stolz drauf und insbesondere die Touristen nehmen mit, was sie kriegen können. Mit Brüllgefährterwerb gibt es außerdem einen Bon für 0,2% Rabatt auf Lungenaustausch nach dem Parisaufenthalt. Einlösbar in diversen Schönheitskliniken in der Schweiz und den Niederlanden.
Durch Hupterror, Ruß- und Abgaswahn, Hetzerei und Qietschetram muss wer zur Metro will. (Muss.) Der Brüllgefährtservice gilt hier nicht. Dafür hält der Metrotransport ein anderes frisches Angebot bereit: Reizüberflutung und Grenzerfahrung.
Vor der Metro: alle Farben, alle Gerüche, alle Temperaturen, Luft die steht, Luft die zieht, alle Zahlen, alle Buchstaben, jeweils in allen Kombinationen, alles. Werbung.
In der Metro: Tiere. Die brüllen, zittern, balzen, fressen, pissen, scheißen, schlafen, kotzen und lecken ihre Wunden. Im Dreck. Ihr stumpfes oder glänzendes Fell, je nachdem was sie fressen: Pedigree oder andere Tiere. Eingepfercht quillen Fleischwülste aus Krallenschuhen, klebrig-triefende Haare hängen ab, Grunzen und Schnattern und Verwesung. In Paris brüllen die Maschinen, die Tiere sind stumm geworden, ihre Triebe – schon lange wegtherapiert von anderen Tieren. Die Weibchen, die noch hoffen, übertreiben mit Riemchen, Schleifchen, Pünktchen, übertünchten Gesichtern. Der Geruch, den sie ausstoßen, ist unerträglich und macht alle anderen Tiere aggressiv.
Wer eine Pause braucht vom Zoo international, (es soll schon vorgekommen sein, dass bei Touristen, vor allem aus der Provinz, Anpassungsprobleme an den Rhythmus der Stadt aufgetreten sind), kann sich an ausgewählten Orten der Stadt in eines der reizenden Relax-Center begeben. Für 4500€ kann man in einer kleinen Zelle stehend sieben Minuten lang eine Entspannungsmusik hören. In Endlosschleife läuft dort Deep Purples „Child in time“. In der Live-Version, versteht sich.
Wie Kloßbrühe. Mindestens.
Monday, May 24th, 2010Einen Strandtag und eine Paddeltour später ist klar: hier ist jetzt Sommer. Sandaletten, nackige Franzosen, Sonnencreme und Eis gibs all day long und das gehört sich ja auch so. Welch Wonnewetter im Wonnemonat.
Bonsoir François.
Saturday, May 22nd, 2010“Ich weiß nicht was der “Agenda 2010” ist. Vielleicht ist es des Programmes den Grünen für 2010. Es handelt sich um einen ecologische Programme, wo man Ideen über den Umwelt lesen kann. Oder es ist vielleicht ein Agenda mit verscheidene Treffpünkte für Leute, die Kunst mögen (Kino, Museen,…) Oder der Programme von Angela Merkel (CDU-CSU)? Es gibt viele Möglichkeiten. Ich höffe, dass ich Glück haben werde. Aber am meistens habe ich Pech…”
“Die Leuten haben deswegen gestreit, weil es unmöglich mit 350€ pro Monat leben, aber manchmal ist es auch unmöglich ein Arbeit zu finden und kein Langzeitarbeitslos zu sein.”
Leider kennt sich François auch in seiner eigenen Sprache nicht so gut aus: “Pendant la réunification allemande (7 et 9 mai 1990), Helmut Kohl (premier Chancelier de l’Allemagne) a changé le Bismark (!) de l’Est Land par Land pour le changer en Mark ce qui a été une vrai catastrophe économique pour l’Est.”
Alles anders.
Thursday, May 20th, 2010Also was für eine Stadt, dieses Paris! Was für Energien man so frei zaubern kann, wenn es sein muss. Wie krass eklig Füße anschwellen können. Wie müde man sein kann und trotzdem funktioniert. Wie oft man an der richtigen Metrostation vorbeilatschen kann! Das hätt Erntge so alles nie gedacht. Und dazwischen? Schweinebraten, Kindergebrüll, Homoerotik und ein schöner Fremder, der alles über Erntges Vergangenheit wissen will. Und dann natürlich Annie. Annie! Von der lernt Erntge nicht nur Symbole für Simultanübersetzen. Verrücktes Paris. Du laute, stinkende Stadt: die nächsten beiden Wochen sind unsere. Schön!
Gedeih.
Wednesday, May 12th, 2010Erntge kriegt neuerdings andauernd Blum. Heute Weiße mit viel Stiel. Sieht schön aus so inne Küche. Vor allm wenn die Sonne draufscheint. Aber … naja, Frau Sonne spart sich ja augenscheinlich alle Energien für den Sommer auf. Und der beginnt bekannlich erst Ende Juni. Wenn Erntgo nämlich in die Stadt fährt, die sich auf “Swimmingpool” reimt. (Es ist wirklich wahr!). Und nebenbei nehmen andere Erntges berufliche Zukunft in die Hand und organisieren Visionär-Mirakulöses und nun ist wieder alles ganz aufregend und so halb in Tüten. Es sieht so aus, als würde Erntge ab nächste Woche bisschen in Paris arbeiten! Und beim Traumarbeitgeber genau das machen, was sie machen will im Leben. Hossa! Erntge hat sich das mit den Blumen mal richtig überlegt und schnallt das jetzt besser mit dem Säen und Ernten. Hoffentlich klappt das mit Säen in Paris und Ernten in Berlin besser als Einwegmieten bei Europcar.
Dank!
Friday, May 7th, 2010Erntge muss dringend ihre Paranoia überwinden. Wenn sie sich nämlich selbst peinlich bei wird, is doof. Gestern telefonterrort’s also und der TNT-Paketdienst will wissen, wo Erntge denn genau wohne, wäre nämlich unauffindbar, ihre Adresse! Weil Erntge ein Buch erwartet, wo ihr Name drauf steht, spielt sie mit, ruft zurück, präzisiert und fragt sich aber auch, woher denn der TNT all ihre Daten habe. Komische Servicenummern anzurufen und Sternchenrautenkommandodruck findet Erntge an sich wenig attraktiv. Alle Alarmglocken schrillen, als die Dame am anderen Ende der Leitung noch mehr Details aus Erntges Leben will: Schluss jetz! Erntge motzt und erkundigt sich überhaupt nach dem Inhalt des Päckchens. “Schokolade oder Blum!”, rotzt’s aus der Muschel. Und Stille. Schokolade oder Blumen … Zauberwörter. Da tickt die Uhr auf einmal langsamer. Erntges Paranoia gewinnt: kennt sie doch einen Mann, der ihr hin und wieder Geschichten über Liebesbrief-Emails erzählt. Wo “I love you” drauf steht und aber Virus drin ist. Weil jeder geliebt werden will, hinterfragt kaum einer. Erntge kennt keine Frau, die nicht gerne Blumen oder Schokolade geschickt bekommt. Und legt unsicher auf. (Und denkt: “Kack.”)
Und heute also? 11h45 klingelts an der Tür. Der TNT-Mann lächelt sonnig und überreicht herzlich das riesige Paket. Als Erntge ihn fragt, was das denn nur sein könne, grinst er vielsagend: das müsse Erntge schon selber wissen. Und es rattert und poltert und surrt und knackst – aber Erntge weiß es nicht!! Und fasst sich aber ein Herz und macht es auf. Tick tack die Uhr, klopf klopf das Herz. Aus dem Karton glitzert und blinkt es. Und plötzlich regnet es Sterntaler in Erntges Wohnung. Pastellfarbene Schmetterlinge steigen empor, Feen lachen Erntge zu und alles tanzt im Blütenmeer. Verzückt klatscht Erntge in die Hände und lacht und lacht und lacht. Ein riesiger Blumenstrauß ist es! Gelbe, orangene, weiße, violette, zartrosa Gerberas. Eine Million oder so. Taufrisch. Betörender Duft. Erntge arrangiert grinsend die Farbpracht und überlegt, wem sie diese Freude zu verdanken hat. Und weiß es. Und freut sich. Dass es auf diesem Erdenrund Männer gibt, die ihre Versprechen halten. Und denen das Glück anderer wichtig und was wert ist. Ein ganz großes Dankeschön nach Berlin und der Aufruf an alle: schickt Blumen! Das überwältigend romantisch. Und kitschig. Aber egal, weil so überwältigend romantisch!