Lieber Ayman Harper,


schön Dank fürs Stück im Hau gestern abend! Tanztheater ist eigentlich nix womit ich besonders viel Erfahrung hätt, aber schon die Ankündigung von (theLID hatte mich ganz schön angefixt. Eigentlich bin ich wohl vor allm wegen der Musi gekomm, weil ich finds irgendwie immer fein, wenn wer live auf der Bühne Ton gibt. Und Bühne kann ja auch ma Wohnzimmer sein. Wie Samstag auf dieser Privatparty, wo mehrere Bands lustig verkabelt zwischen Sofa und Stehlampe spielten. War natürlich nich son steiler experimenteller Elektro wie bei Dir gestern abend, ich mein, Matmos macht ja wohl auch mehr auf Geräusch und Effekt, ne? Die hatten ja wohl auch ma mit Björk, wa? Puh! Na jedenfalls. Fand ichs super und das wollt ich Dir ma sagen.

Nachdem Du uns im ersten Teil erklärt hast, dass Körper Geräusche machen können und auf Geräusche reagieren, gings ja wohl im zweiten Teil richtig ab! Welche Dynamik da plötzlich so ein paar Bässe auslösen, ja? Wow. Da saß keiner still, glaub ich. Dein raschelndes Zeitungspapierkostüm war ja wohl knüllermäßig, auch Dein Tanz in Besenborstensohlen auf der verstärkten Blechplatte.
Wobei ich ja meistens auf Deinen Tänzerkumpel gucken musste, der war ja oft ganz schön aufragend angezogen: als schmetternde Diva hinter Plexiglas, im Anzug aus Alufolie und später als Alien mit überdimensioniertem Kopf. Was war das eigentlich für ein krassko glänzendes knisterndes Papier, aus dem ihr seine Kostüme gebaut habt? Passte jedenfalls in gold und silber großartig zu seiner braunen bemuskelten Haut. (Ich glaub, bei Tanztheater geht’s auch viel um Körperästhetik, ja?)
Das Bild von ihm im halben Hochzeitskleid war ganz toll. Keine Ahnung, wo dieses Bild herkommt, vom schwarzen Mann im Hochzeitskleid ab Hüften, mit kurzen Haaren und freiem Oberkörper und Hackenschuhen, der über die Bühne oder überhaupt irgendwo langpest. Großartig! Unglaublich fetziges, starkes Bild, das hängen bleibt. Auch sein Intermezzo mit dem enorm langen beweglichen Plastikrohr war unglaublich.

Ey und Ayman, als Du am Ende das ganze Chaos (inklusive Publikum) so zackig mit fettem Tape zugeklebt hast, an dem dann immer auch so Fetzen Deines Kostüms hängen blieben, – ey, das war der Knüller! Als hättest Du wie in diesen amerikanischen Filmen einen Ort des Verbrechens markieren und nach außen abschirmen wollen. Als wäre das ganze zuvore Chaos aus Musik und improvisierter Bewegung ein Verbrechen gewesen, weil es verstört hat und ohne Regeln war: die Metalldrehscheibe, die Kabelkrake, die tausend nutzlosen kleinen Gegenstände, mit denen vorher flüchtig oder eindringlich Ton entstanden war, die beiden Nerds am Rechner und der Alien, die sich nach Belieben gegenseitig Impulse gesendet und jeweils reagiert hatten. Als wärst Du in Deinem Anzug aus Zeitungsfetz so eine Art Kontrollinstanz gewesen: jemand der Schubladen liebt und deswegen Ordnungsgesetze vorschreibt und dann durchdreht, wenn etwas nicht in seine Schubladen passt (Kulturkritiker, alle Ordnungshüter). Deswegen hast Du vielleicht auch den wankend-tänzelnden Traum-Alien unter die zuckende Knisterfolie getackert mit Deinem Tape, hast ihn so eingesperrt, ihm seine Freiheit genommen und umgebracht. Was anders und nicht fassbar ist, muss schließlich weg. Großes apokalyptisches Tamtam schließlich und dann, still, eine verlassene, verwüstete Bühne.

Mir ging jedenfalls das Herz auf, als es am Ende wieder unter der Folie knisterte und daraus, wie aus einem Kokon, ein neuer, nackter Mensch schlüpfte. Der sich fürs verlassene Chaos auf der Bühne interessierte und dem ich ganz stark zutrau, dass er nach der Katastrophe was Neues schafft. Mensch. Toller Ausblick, schön Dank!

Deine Erntge.

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