Innere Schweinehunde heulen in Le Samance.

March 6th, 2015

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Erntge kann manchmal so schockiert sein! Diese schwere Fassungslosigkeit, wenn das Nichterwartete plötzlich da ist und erst mal nicht mehr weg geht. Nicht erwartet waren die Strapazen einer 15-stündigen Zugreise, Schimmelwände, kaputte Heizungen und der Umstand, sich eine Woche lang zu wenige Quadratmeter mit zu vielen Menschen teilen zu müssen. Erntgi war auf Klassenfahrt und Skifahren tut ihr weh.

Morgens war, wenn direkt neben dem Frühstück wild angezogene Animateure zu scheppernder Bumbum-Mucke Tischtennis spielten. Mittags war, wenn Todesangst auf verkrusteter Skipiste einschüchterte, nachmittags war, wenn im strömenden Regen um die Wette Fotos von sich küssenden Pärchen vorm Sparmarkt gemacht werden mussten, abends war, wenn Antoine übers Megaphon und abwechselnd 11-jährige boys und girls anbrüllte, die erst Songtitel erraten und sich dann aussuchen mussten, welches Kleidungsstück die aufreizende Animateurin als nächstes ausziehen sollte. Au wei: Erntge ist eine unsportliche, verklemmte, uncoole Alte!

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Zum Glück wurde dann doch alles anders und Erntge sieht sich lachend in Glitzerfolie aus dem Verbandkasten zu 99 Luftballons tanzen und beim Versuch, die Halbstarken aus der Reserve zu locken. Die waren nämlich genauso an ihrer Grenze wie Erntge: überfordert.

Am letzen Abend schossen die Animateure dann den Vogel ab: aus dem Gruppenraum wurde ein begehbares stockfinstres Gruselkabinett, das nur in 3-er Gruppen und mit einer Kerze betreten werden durfte. Antoine & Co. hatten sich in Zombies verwandelt, denen Haut und Speichel aus dem Gesicht troff. Beim analogen Slender-Spiel kreischten alle Kinder und ihre Betreuerinnen: ein herrlich chaotischer Schockzustand. Versaute Klamotten, ausgerissene Haarbüschel, Schürfwunden, Bissspuren… bei uns undenkbar, doch so gut, weil alle Kinder lachten.

Nun ist Erntgi also wieder da mit herrlich aufpoliertem Französisch. Der tiefsitzende Restschock wird am Schreibtisch verebben: an dem ist jetzt nämlich Endpsurt bis zur Lehrprobe.

Vier Tage nichts, vier Tage icht’s.

February 2nd, 2015

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Am Ende der Welt steht ein windschiefes Haus, in das haben liebe Menschen allerlei Fröhliches gestellt und einen Kamin, der kann von 0 auf 100 in 30 Minuten. Ans Ende der Welt fuhren Erntge und ihre Freunde. WEIL: am Ende der Welt kann mensch sich getrost ins Nichts werfen. Das Nichts ist das Gegenteil von schrillen Lehrerzimmern, nervigen Bibliotheken oder wimmelnden Paragraphen ohne Inhalt. Einige von uns sind sehr mit ihm befreundet. Das Nichts lauert nicht. Ist einfach da und gut.

Im windschiefen Haus am Ende der Welt entstand aus nichts sehr viel. Dampfwolken beim Atmen zum Beispiel. Oder Zwiegespräche mit Steinen. Frisuren. Schnupfen. Schlachten gegen Drachen oder glückliche Doktoren wurden gekämpft und gewonnen. Erntge fragt sich, ob es tatsächlich sein kann, dass sie 4 Tage lang nicht von der Couch aufgestanden ist und warum dieser wohlbehütete Junge in ihrem Buch einfach nicht mit dem abgründigen Geheimnis rausrückt, wenn er dadurch doch was ändern kann.

Eine Badewanne später steht Willkommensschokolade auf Erntges Küchentisch und Erntge glaubt fast, dass sie morgen gleich wieder schwänzt.

Chantons et buvons.

January 3rd, 2015

Erntges Silvester war sehr musikalisch. In der Nähe von Rostock gibt’s ein Haus für Spätzünder MIT Klavier und OHNE Couch des Todes. Dorthin radelten sogar paar von uns. Wir schmissen unsere Corpi in die Möbel und stimmten alle Bänder. Eine attraktive Chorleiterin spielte und sagte an und dann klang es tatsächlich: das was Erntgi vorher so unmöglich erschien: ein vierstimmiges Trinklied von 1530. Dorisch ist weder Dur noch Moll und kein Mensch hört das mehr im Radio. Vierstimmig wurde das Eckige dann aber richtig rund und Leute, wir müssen unbedingt mehr singen.

Dann gab’s auch noch Tatütata- Sounds. Einer von uns verhüpfte sich im Wald und fiel blöd. Erntgi findet’s abgefahren, diesen Moment, wenn klar ist: jetzt ist was passiert. Am Ende war alles gut und nix gebrochen, doch auch hier, glaubt es oder nicht, wurde am Unfallort gesungen.

Achso und dann hat Erntgi zum ersten Mal Orgel gespielt in der Kirche: der Hammer! Ist wahnsinnig kompliziert, aber zu dritt ging’s. Die Krippe fiel um bei unserem Besuch, aber darüber sah der, der die Glocke läutete, milde hinweg. Der grinste sogar, als wir von der Kanzel aus Quatsch erzählten.

Was noch? Rosenkohl-Süßkartoffel-Curry mit Granatäpfelkernchen, dunkle Schatten unter den Augen und Schlammschuhe. Und den schönen Wurm im Ohr. Kann losgehen, 2015!

Letzte Runde.

December 13th, 2014

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Noch einmal Zähne beißen und Augen kneifen, -am besten zusammen-, und durch. Irgendwas brennt. Irgendwas ist mit Feuer. Erntge weiß nicht so richtig was, nur dass dringend Pause sein muss. Und ja auch ist. Gleich.

Immer zwischen.

November 13th, 2014


Anfang und Ende sind irgendwie aus Erntges Leben gepurzelt. Alles findet gleichzeitig statt. Verrückt! Wie es zeitgleich fordert und entspannt. Eine Bildercollage:

“That’s decrusting!”, sagt Lilli immer wieder in die Kamera und lacht. Unter ihrem linken Lid bröckelt grob Maskara. Acht andere Zwerge wuseln. Sie fordern das Mikro heraus, sortieren alle Kostüme neu, posen, plappern, pubertieren. Unter Erntges Haar braut sich was zusammen. Ob wir je mit diesem Film fertig werden?

Im blanken fremden Klassenzimmer wird Erntge wieder 13. Vorn schwadroniert ihr alter Französischlehrer Französisch und Erntge schreibt alles mit. Wie früher. Latscht der gegen seine Tasche, die noch dieselbe ist. (Ob er je den Sturzhelm vom letzten Schultag benutzt hat?) Plötzlich sind da viele alte Bilder und Erntge ist ganz mulmig.

In der Kirche sitzen alle Päärchen links bis bisschen mittig und alle Singles ganz rechts auf den Bänken. Als der Countertenor ansetzt, wird Erntge kurz schwindlig. Die Kerzen, die Kreuze, der Anblick der Alleinen, die vermissen. Die Frau vor Erntge hat wahnsinnig schöne kastanienbraune Haare. Sie glänzen mild und duften freundlich. Erntge widersteht, weil sie sich über den Text des letzten Liedes wundern muss: “Jesus macht dich geistig klein?” Wie progressiv!

Verschanzt hinterm Schlagzeug im Keller der Musikschule: von vorn hagelt es schiefe Töne aus Geigen und – wie Messerspitzen – Musiktheorie. Geballt. Erntge sucht Halt zwischen den Notenzeilen und findet keinen. Eine puterrote Greta versucht zu vermitteln zwischen Akkordeon und Schlagzeug und stellt immer wieder Saxophone in Aussicht. Erntge freut sich auf die Couch…

„Ich habe mir ein Denkmal gebaut.”

October 30th, 2014

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Nick Cave hat sich ein Denkmal gebaut. Erntge glaubt, dass er lange dran geplant, gefeilt und nachgedacht hat. Es ist sehr groß geworden und glänzt. Es hat mehrere Etagen und vielerlei Ecken zum Reinkriechen. Blixi ist da, Kylie ist da, die ganzen Bad Seeds, alte Berlinfotos. Erntge fragt sich nicht, warum immer alles gleich so doll sein muss oder was “And the ass saw the angel” sollte, sondern wieso PJ nirgends zu sehen ist. Das hätte Erntge fast am meisten interessiert.

Von Mänteln und keinen Spaten.

October 19th, 2014

„Was ist das für ein dunkler Kasten im Flur?“ Zylinderella war in die Küche geweht und versprühte Bakterien. Ein feuchter Film lag ihr auf Nase und Augen. „Und hä? Trinkst du Schnaps?“ Binoche hob die Hand zum Gruß, Umarmungen wollte sie heute vermeiden. „Das ist meine Jacke, ich hab sie ausgezogen und erstmal in den Flur gestellt. Stört die dich da?“

Zylinderella schniefte und setzte sich. „Sieht aus wie n Panzer. Was hast du da alles drin!“ Binoche tippte auf die Flasche und sah die Mitbewohnerin fragend an. Zylinderella nickte und leierte sich ihren Schal vom Hals. Fast bedauerte Binoche, dass Zylinderella das herrliche Aroma des Williams Christ nicht mitbekam. Sie sagte: „Da ist alles drin zum alles richtig machen.“

„In den Außentaschen sind 29 kleine Steintafeln. Da sind die Regeln drauf eingemeißelt.“ – „Wie schwer?“ – „Keine Ahnung, eine so 600 Gramm, 700?“ „Kannst du die nicht auswendig?“ – „Doch, aber manchmal muss ich sie schmeißen.“ – „Schon mal eine kaputt gegangen?“ – „Andauernd. Nervt.“ – „Was noch!“ – „Na hier, Ersatzstimmbänder, Sanitasche und in der linken Innentasche ist die Knarre drin.“ Zylinderella hustete. „Du schießt?“ – „Im E-Fall. Wenn einer Rot sieht, dann schieß ich dem zwischen die Augen.“ Zylinderella goß sich stumm einen Zweiten ein.

„In der rechten Innentasche sind die ganzen Buchstaben. Ich verlier manchmal welche, vielleicht ist da n Loch drin.“ – „Du kannst doch improvisieren.“ – „Ja. Aber umso mehr Chaos, umso mehr Steintafeln krieg ich zugeschoben.“ – „Kack.“ – „Ja.“

Zylinderella hatte ihren Arm um Binoche gelegt und so saßen sie auf dem Küchensofa. Binoche tat diese Nähe gut. Der Obstler hatte sie entspannt und eine Wärme ins Innen gezaubert. „Ich kann mich in dem Teil nur total schwer bewegen, das ist blöd.“ Zylinderella sagte: „Is aber kugelsicher, oder?“ Binoche nickte: „Nu stehtse jedenfalls erstmal im Flur. Ich ziehse die nächsten Tage nich an.“ – „Tolli!“ – „Ja!“ Binoche lächelte in den Kerzenschein: „Die nächsten Tage mach ich alles falsch, kannste wissen.“

Für Erntgi und die Nachbarn.

September 29th, 2014

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b.n.5000

September 19th, 2014

natur
Zuerst hatte Eso-Ursel Monika gesagt, dass wenn mensch sich was ganz doll wünscht, dann machen die Energien irgendwie, dasses dann auch alles passiert. Aha. Erntge hatte angefangen, sich ein e-drumset für zuhause zu wünschen, weil… ach… mit in der Schule immer das zerfledderte Teil rauskramen war irgendwie doof und nich genug. Dann! Machten Energien und Schicksal und Universum so Plausch und Erntge traf plötzlich andauernd wen, den sie mochte und dessen Kindern sie dann immer die Wangen küsste mit Schmackes. Und dann kams. Derjenige welcher fragte eines Tages abrupt und ins Blaue: „Erntge! Sachma! Brauchst DU eigentlich n E-Schlachzeuch?“ – Und das hätte Erntge sicher sehr nachdenklich gestimmt (wegen siehe oben), wenn sie in dem Moment nicht so aufgeregt gewesen wäre vor lauter jajaja! Und nu hattse sichs angekiekt gestern und noch einen Experten befragt und noch in ihrn Geldbeutel gekiekt und… ich glaub sie kauft’s.

_ E _ A _! (Erntge ist kein Esel.)

September 8th, 2014


HÄ? Wieso kriecht Erntge denn aufm Zahnfleisch? Ferien sind vorbei, okay okay, aber äh… irgendwie prasselt grad so viel Arbeit!! Liegts am vielen Fachunterricht? (Erntge liest wieder Grammatiken, uaah.) An den 95 Teamsitzungen? … Nä, kann doch nicht sein!

Ah! Jetz is klar. Erntgi plant mal wieder was sehr Schönes. Und um das zu kriegen, musse jetzt 1 Jahr und 3 Monate funktionieren. So Selbstdisziplin nach 4 Wochen Hedonismus tut natürlich weh. Vor allem so geballt und weil’s noch so lange hin ist. Hoffen wir auf Selbstschutzmechanismen des corpus.

Die Schufterei wird sich lohnen, so viel steht fest. Erntge plant nämlich was für sich. Persönlich. Wie gut, dass die Arbeitgeberin mitzieht. Das schöne Ziel der Quälerei schreibt sich Erntgi jetzt hinter die Ohren. Dick und in Spiegelschrift. Es hat fünf Buchstaben.