Archive for the ‘valesko reist-stetig.’ Category

Valesko Reist-Stetig. (8)

Friday, May 17th, 2013

gute reise, valesko.

Valesko hatte gemerkt, dass er Zuhause nicht konnte. Seine Haut war ganz grauledern geworden und runzelte zwischen den Augen. Immer öfter biss er sich in die knorpligen Warzen oder ging allein Mücken jagen. Ein Leben mit Statiska schien ihm jetzt unmöglich und das sagte er ihr: „Du magst meine Spinnensuppe gar nicht. Und bei meinem tollkühnen Sprung schaust du immer weg!“, quakte er erzig. Ob er sich zurücksehnte nach seinem alten Namen konnte Statiska nicht sagen.

Sie war Statiska geblieben und keine Jungfröschin mehr. Als sie eines Nachmittags allein am Teich saß und den Teichblasen so beim Platzen zusah, wünschte sie sich sehr viel Kraft in die Sprungbeine und dem Wanderfrosch gutes Regenwetter.

Valesko Reist-Stetig. (7)

Thursday, December 20th, 2012


So liebten sich Valesko und Statiska in den Winter:

„Du, ich mag deine neuen Narben nicht. Die frustrieren mich.”
„Die sind vom Zahn der Zeit. Es ist ein gemeines Alltagstier, das mich in die Waden beißt.“
„Das ist so einfallsarm. So saftlos. Und trist.”
„Ja.”
Valesko und Statiska nippten am Glühwein, der längst kalt geworden war. Schüttelten sich. „Sag mal, warum bist du eigentlich nicht Kellner?” Das war wie ein Wunsch, von dem man genau weiß, dass er nie in Erfüllung geht.
„Weil ich mehr kann.”

So liebten sich Valesko und Statiska in den Winter.

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (6)

Thursday, May 3rd, 2012

„Wollen wir küssen?“, fragte Valesko und kratzte sich am Arm. „Gute Idee!“, sagte Statiska, „Wann denn?“ Valesko setzte sich auf seine Hinterbeinchen und überlegte: „Am Nachmittag hab ich bestimmt die Wand fertig zugemoddert, noch ab in Teich – danach?“ – „Hm…“, überlegte Statiska, „die Mollusken muss ich abholen und noch die Laubfrösche bespaßen und denn Mäuse verdienen.“ Valesko sah klug nach oben links und faltete schön seine Stirn. „Morgen?“ Statiska packte Tang und Steinchen in einen Beutel. Sie sagte: „Ja, morgen ist gut.“

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (5)

Monday, February 13th, 2012


Am Tresen brubbelte Valesko zum Springfrosch: „Alle meine Knochen knacken. Es schmerzt hier und hier und hier. Jeden Tag sammel ich Geäst und ächz. Abends stemm ich alles gegen die Wände und schmier Modder und Zeug zwischen. Einmal bin ich in die Leiter gefallen. Morgens komm ich kaum hoch, aber ehrlich, glücklicher war ich selten.“

Der Stummelfußkröte krächzte Statiska ins Ohr: „Meine Haut zerfleddert. Die Drüsenleisten sind komplett versifft. Die Schallblase, ey, die is zu mit Staub und ich hust 67 Mal am Tag kannste dir das vorstelln. An meinen Schwimmhäuten verletz ich mich bald selbst, so rau sind die, aber ehrlich, glücklicher war ich selten.“

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (4)

Monday, January 9th, 2012

Die unangefochtene Chefin am Teich war die alte Erdkröte Knarf. Ihr zipfelten ganze fünf Hornwarzen von der Stirn. Seit nunmehr 100 Jahren hatte sie hier das Sagen und alles im Griff. Als Knarf mit ihrem gesamten Körper vorschnellte, um eine vorbeiflitzende Assel zu packen und dann genussvoll zu knacken, wandte sich Statiska an Valesko und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Eine für gerechten Scharfsinn, eine für taugliche Nachhaltigkeit, eine für sinnlichen Genuss, eine für frohen Mut, eine für die schöne Kunst.“ Valesko nickte und betrachtete ebenfalls die Hornwarzen der Erdkröte. Sie waren wirklich beeindruckend spitz!

Am Teich ging es betriebsam freundlich zu. Zahlreiche Frösche, Unken und Kröten wuselten umher, maßen zerfallene Mauern, sortierten Totholz, beäugten Laub, einige inspizierten die ufernahen Erdlöcher. Ihre Emsigkeit und das erregte Gurgeln seiner Jungfröschin erfreute Valesko. Hatten die beiden denn endlich ihr Zuhause gefunden?

„Doch sagt, seid ihr wie ich Kulturfolger?“, gluckste da Knarf und sah die beiden scharf an. „Dieser Teich hat Geschichte und ist nicht für jeden Frosch geeignet.“ Valesko und Statiska sahen sich erst an und dann um. Es stimmte. Die Steine waren sehr scharfkantig und das Wasser des Teiches so trübe wie krautig. Er war natürlich gewachsen und hatte nichts mit den komfortablen künstlichen Hochglanzufern zu tun, für die andere Frösche ein Vermögen aufbrachten. Was Statiska und Valesko aber auch wussten, war, dass nur hier die Sonne einen Morgennebel zauberte, der nirgends milchiger war. Und dass der modrige Geruch nirgendwo erdiger roch als hier nach einem Regentag.

Valesko wandte sich an Knarf: „Beste Erdkröte. Wir wissen um die Einzigartigkeit des Ortes und wollen ihn tüchtig pflegen und beleben. Wir sind mutig und wollen ein gutes Zuhause schaffen, das auch anderen offen steht.“ Knarfs anschließender prüfender Blick fühlte sich auf Statiskas Schultern an wie vier Baumstämme mindestens. Sie hielt ihm dennoch stand und lächelte freundlich zurück. „Gut“, quakte da Knarf, „meine Erlaubnis, ihr sollt sie haben.“

Valesko und Statiska bedankten sich freundlich. Als sie um die Ecke gehüpft waren, schmissen sie sich weg und jauchzten albern wie Teenagerfrösche.

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (3)

Thursday, November 3rd, 2011


Valesko und Statiska saßen am Fluss und knarzten. Der Herbst hatte die Blätter der Bäume gelb gemacht, manche braun. Der mildmodrige Geruch hier im schützenden Schilf ließ ihre Sinne hüpfen. Über ihre Köpfe hinweg schwirrten vereinzelt Mücken durch die noch wärmende Nachmittagssonne. Die lachten ihrem Tod beneidenswert unbeschwert ins Auge.

Valesko quakte zufrieden. Er genoss die Stille. In den letzen Tagen war er rührig um den Teich gesprungen, hatte hier getrommelt, da gewirbelt und es allen gesagt. Dem lustigen Zipfelfrosch, dem Schlammtaucher, der stinkenden Knoblauchkröte und dem stolzen sardinischen Scheibenzüngler auch. Hatte es ihnen allen laut zugerufen. Dass er einen schönen Ort suche! Für sich und seine Jungfröschin. Der alte Schaufelfuß hatte ihm verraten, dass das Licht am Waldtümpel morgens unfassbar schön sei. Vom Stummelfuß hatte Valesko erfahren, dass es das beste Insektenfrühstück drüben am Sumpf gab. Nur die doofe Wechselkröte hatte gezischt, ob Valesko nun ein Spießerfrosch werden wollte oder was. Pffff. Valeskos linke Warze schleimte gesund vor sich hin.

Statiska grunzte heiter. Sie hatte eine Tüte bunter Mollusken mitgebracht, die sie nun lustvoll lutschte. „Quark!“, quakte sie und rülpste fröhlich in die Wolken. Die letzten Tage, die Statiska mit der Zukunft verbracht hatte, hatten sie ermüdet und diese kleine Pause jetzt mit ihrem liebsten Frosch tat ihr gut. Jeder weiß, dass die Zukunft die unberechenbarste aller Zeitgenossinnen ist. Als Statiska und Zukunft zum Beispiel durch den Wald gesprungen waren, war die Zukunft oft stehengeblieben, so ganz ohne Vorwarnung. Nur um dann zu Riesensprüngen anzusetzen, bei denen Statiska die Puste ausging. Puh. Am Teich hatte die Zukunft Statiska immer widersprochen und manchmal so überrascht, dass Statiska gar keine Worte eingefallen waren.

Statiska und Valesko hatten sich überlegt, dass wer ein Zuhause wollte, sich mit der Zukunft anfreunden und Helferlein suchen musste. Ob das stimmte, wusste der Fuchs. Aber den mieden die beiden, weil er so streng aus dem Hals roch.

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (2)

Saturday, July 30th, 2011


Einmal geschah es, dass sich dunkelblaue Wolken in Statiskas kleinen Schallblasen bildeten. Unter ihren Mundwinkeln stiegen erst zwei, dann drei, und später fünf solcher Wolken auf und umgaben Statiskas Kopf wie ein Gebirge. Die Wolken waren sehr dicht und so dunkel, dass die Jungfröschin bald gar nicht mehr zu sehen war. Vor allem nachts hatte Valesko Mühe, seine Liebste wiederzufinden. Ihr Rufen war wegen dieses Gebirgsnebels nämlich ganz dumpf geworden.

Valesko kratzte sich am Kopf. Oft grübelte er, was er nur tun könnte. Auf seinen Reisen hatte er allerhand erlebt, doch dunkle Gebirgswolken waren ihm noch nicht untergekommen! Valesko wollte nicht verzagen und machte sich auf die Reise.

Er hatte gehört, dass ein Löffel Grütze vom entfernten Ententeich Wunder vollbrachte und dass der Verzehr von zwei kurz angebratenen Fliegen vom vierten Planeten alles Blaue zu heilen vermochte. Vom Uhu wusste Valesko, dass eine Vier-Tages-Spinnenbeinkur schon jedem geholfen hätte. Das alles wollte er seiner Jungfröschin besorgen, auf dass sie bald wieder ganz die Alte würde.

Als Valesko nach sieben Tagen zurückkam, strahlte er vor Freude, weil er alle Zutaten gefunden hatte. Statiska aber schüttelte den Kopf: „Aber Süßling, was soll ich mit Grütze, Fliegen und Spinnenbeinen! Des Reisens bin ich müde. Wir brauchen ein Zuhause.”

Aber… was? Valesko schlug sich an die Stirn und verstand. Seine Jungfröschin suchte ihren Platz! Wollte jemand werden, zusammen mit ihm! Und daher mussten auch die Wolken gekommen sein: um sie solange außen zusammenzuhalten. Jetzt war Valesko alles klar. Verzückt küsste er seine Liebste. Dann fiel ihm ein, dass er überhaupt nicht wusste, wie man ein Zuhause baute.

(Fortsetzung folgt.)

Valesko Reist-Stetig. (1)

Monday, January 17th, 2011

Es war einmal ein Frosch, der Valesko Reist hieß und die Freiheit liebte. Als er noch klein war, fühlte sich das Leben auf seinem Planeten schon eng an: Valesko kannte bald alle Tümpel, alle Tiere, alle Wege und hüpfte immer wieder gegen die Wände, die seine Welt begrenzten. Valesko fasste sich also ein Herz, setzte an und sprang. Und ließ zurück, was er bis dahin kannte.

Auch wenn ihm das Reisen manchmal beschwerlich war, weil seine Füße schmerzten und er nicht immer wusste, welche Richtung er einschlagen sollte, gewöhnte sich Valesko an das Unterwegs und freute sich darüber, seinen Weg selbst zu bestimmen. Viele Planeten erschienen ihm erstaunlich, manche nobel und andere unberechenbar. Auf seiner Reise lernte Valesko schließlich die Welt und sich selbst kennen.

Eines Tages geschah es, dass Valeskos Sprung ihn wieder auf seinen Heimatplaneten katapultierte. Er hatte die ganze Welt gesehen! Valesko war ganz fiebrig, so freute ihn das Wiedersehen mit dem Alt-Bekannten. Hier kannte er alle Tümpel, alle Tiere, alle Wege. Beinahe vergaß Valesko sogar, wie eng ihm diese Welt einst gewesen war. Da lachte ihm plötzlich die Jungfröschin Statiska Stetig laut ins Gesicht: „Valesko, du bist ja im Kreis gehüpft!“

Valesko schlug sich auf den Froschschenkel und küsste Statiska auf den Mund. Ihre Hochzeitsreise verbrachten die beiden am fernen Waldsee, denn auch Statiska mochte das Reisen. Die beiden verbrachten eine gute Zeit, denn überall wohin sie kamen, gab es immer fröhliche Wiedersehensfreuden und berauschende Abschiedsfeiern. Bis Statiska eines Tages nicht mehr wusste, wo sie eigentlich war. An diesem Tag stellte Valesko fest, dass er statt überall, nirgends zuhause war.

(Fortsetzung folgt.)