Archive for the ‘gegenwärts.’ Category

Schöne Bilder, schöne Titel.

Thursday, August 25th, 2011


Und schöne Übersetzungsprobleme! Weil doch jedes Bild (und jede Kunst) einen Titel braucht („Ohne Titel“ ist auch ein Titel), damit es in den Ausstellungskatalogen dieser Welt schubladisiert, nummeriert, eben katalogisiert werden kann, und zwar in allen Sprachen, ergeben sich mitunter Probleme, die wir uns selten klar machen. Das ist wie mit Heinzens Erhards Osterhasen, der zu klein ist und deswegen im Fahrstuhl nicht an den 12. Stock-Schalter kommt. – Wer nicht an den Osterhasen glaubt, kennt auch nicht dessen Probleme.

Aber zurück zur Kausalkette, die noch keine ist, aber auf gutem Wege. Dieses schöne Bild hat Erntge aus dem Museum mitgenommen. Wenn ihr alles zu seltsam wird, zieht es sie nämlich manchmal zu den Surrealisten. Und im Museum Berggruen und parallel in der Sammlung Scharf-Gerstenberg, hat sich ein kluger Kopf folgendes ausgedacht und umgesetzt: surrealistische Werke werden mit Fotografien des ungarischen Künstlers Brassaï kombiniert. Der kannte sie nämlich alle, Matisse, Picasso, Klee. Und fotografierte sie während der Arbeit, zu Hause, im Garten. Was nun klug ist an der Kombination des Kunstwerks mit der Dokumentation eines Ausschnitts der Lebenswelt des Künstlers? Auf diese Weise wird der Bezug zur Realität möglich und eine weitere Deutungsebene eröffnet sich. Picassos Frauenkopf (Tête de femme) von 1906 (a) steht losgelöst von Zeit und Raum für sich und spricht uns an … oder auch nicht. Das Bild aber in seinem authentischen Kontext zu sehen, aufgereiht zwischen anderen Versionen desselben Motivs in Picassos Atelier (b), zwischen Malerwerkzeug und allerlei Utensil, verdeutlicht das Prozesshafte, die Tatsache, dass Kunst eben auch Arbeit ist und lässt zusätzlich Reflexionen über Abhängigkeiten von Kunst und Markt zu.

a) Pablo Picasso, Frauenkopf, 1906, Holzschnitt auf Papier, Kat. Nr. 8

b) Brassaï, Picassos Atelier in der Rue de la Boétie mit seinem Frauenkopf von 1906, 1932, Silbergelatine-Print, – Estate Brassaï, Paris

Blabla, aber was jetz mit der Kausalkette! Ja. Also bei diesem schönen Bild oben, das Erntge aus dem Museum mitgenommen hat und das den netten Mitmenschen in der Bushaltestelle zeigt, mit dem sich sicher jeder leicht identifizieren kann, denn der wartet vielleicht auf den Bus oder Godot oder besseres Wetter oder einen Job oder die große Liebe oder sonstwas Naheliegendes… jedenfalls. Handelt es sich um eine Illustrationsvorlage zu Hans Arps „Weißt du schwarzt du.“ „Weißt du schwarzt du“!!! Hallo!! Erntgo klatscht verzückt in die Hände. An Schönheit und Wahrheit ist dieser Titel nicht einmal vom tollsten Restaurantnamen der Welt (La muse gueule, Sredzkistraße 14) übertreffbar. Ehrlich. Und jetzt schließt sich der Kreis. Schönes Bild, schöner Titel, schönes Übersetzungsproblem. Weil, wie übersetzt man so was! Die engagierten Versuche können sich auf den Kopf stellen und bleiben doch ganz weit entfernt von dem, was gemeint sein kann. Auf dem Titeltäfelchen steht: White/know you, black you und Tu blanchis (tu sais), tu noircis. Wie traurig! Wie schlimm! Wie… kann Erntge gar nicht sagen. Deswegen: ein Hoch. Ein Prosit. Auf was Sprache kann und was nicht. Und auf’s Erforschen des Dazwischen.

Der Spagatpreis.

Saturday, August 20th, 2011


Geht an diesem Tag an einen Film. Der nicht mehr ganz neu ist, zukünftig aber an Aktualität gewinnen wird. Geht nicht? Doch. Den Film hat Erntgo in der schönen Kulturfabrik um die Ecke angeschaut. Da wo es Open Air Kino ohne lästigen Eintritt gibt und Konzerte und wo im Filmrauschpalast der bejährte Projektor seit ewigen Zeiten rührige Liebesheiraten mit den Themen seiner Filmrollen eingeht und sie an Fidelität unübertreffbar ohrenbetäubend ratternd begleitet. Vielleicht lag’s ja tatsächlich am ursteinernen Knatterprojektor oder doch am zündigen Thema des Films – Four Lions hat Erntge jedenfalls irgendwie umgehauen.

Hätte der Film ein Gesicht, wäre es jung und verschmitzt. Die Nase wäre ein bisschen Rock’n’Roll und die Augen, smart und freundlich, hätten links und rechts je einen exquisiten Fächer aus Lachfalten. Dem Mund sähe man an, dass er dran gewöhnt ist, unliebsame Wahrheiten zu überbringen. Mit britischem Akzent. Hätte er Beine, stünde Four Lions mit einem in der Komödie und mit dem anderen im Drama. Auf seiner Hose stünde protzig die Marke SATIRE. Mit seinen Beinen, wenn er die denn hätte, wäre er immer in Bewegung: rasend, strampelnd, tanzend, steppend vielleicht.

Wer sich traut, lacht was das Zeug hält. Die Witze, die der Film erzählt, sind allerdings schwarz wie die Krähen, die drin, weil als Übungsobjekt verkabelt, explodieren. Es geht um islamistischen Terrorismus, um religiösen Fanatismus und Jihad. Um diese fern-schwammigen Dinge, die uns die Medien unserer Wahl meist in Form von Meldungen über grausame Selbstmordattentate auf den Rand unserer Schirme beuteln. Erntge hat sich an diese Flecken auf ihrem Schirm gewöhnt, latscht halt damit rum und stellt sich kaum Fragen. Und genau hier setzt der Film an.

Erntge hat auch gelacht. Aber immer nur so halb, weil trotz paukenschlag-witziger Übertreibung und feinsinniger Verzerrung Four Lions auf eine Lebenswelt referiert, die für keine Ahnung wie viele Menschen Realität oder Ideal darstellen. Sich selbst in die Luft zu bomben und dadurch im Kampf auf dem Wege Gottes zum Märtyrer zu werden, bleibt schwer nachvollziehbar. Und auch deshalb gewinnt Four Lions heute den Spagatpreis, weil er spritzig unterhaltend islamistischen Terrorismus einerseits konsequent ridikülisiert und andererseits in Facetten klug porträtiert. Wenn in Omars Gutenachtgeschichte der König der Löwen Simba zum mordenden Märtyrer wird; wenn Omar die schnöde Phrasendrescherei seiner religiösen Brüder frustriert; wenn er sich sachlich von seiner Frau verabschiedet bevor er sich in die Luft sprengt, und die das auch noch gut findet, dann sind das ungewohnt schonungslose Ein-Sicht-en, für die der Regisseur Chris Morris beglückwünscht werden muss.

Nicht in die Plastiktüte, Tanztheater kieken!

Wednesday, August 17th, 2011

Auch wenn inzwischen alle ProD-Wahlplakate (Ihr wisst schon, die mit den durchgestrichenen Moscheen drauf und der großen Begeisterung für „Thilos Thesen“) im Kiez mit Farbbeuteln beschmissen und unkenntlich gemacht wurden, läuft nicht alles rosig. Im Gegenteil. Irgendwie is nur noch Mord, Totschlag und nun auch noch Bombe. Weil das keiner aushält, flüchtet sich Erntgi in die schönen Künste.

Eine besonders schöne Kunst findet Erntge grad Tanztheater, auch wenn ihr nicht klar ist, ob dieser Satz so geht. Im Hebbel am Ufer in Kreuzberg gibt’s immer sehr viel Tanztheater, und noch mehr, seit in Berlin Internationales Tanzfest ist. So zeigte auch Emanuel Gat gestern im HAU1 seine neueste Produktion „Brilliant Corners“. Und die hat sich Erntge angekiekt.

Klar muss sich ernt im Foyer immer erst gewöhnen an die kostümierten Hipgirls mit Sektglas in der einen und Kippchen in der anderen Hand. Und an die trendigen untergewichtigen Boys mit den schönen Zähnen. Und daran, dass vielleicht in der Reihe vor ihr genau die Leute sitzen, die immer ihre Bewerbungen ablehnen. Doch! Wenn dann das Licht ausgeht und so die Illusion anknipst, dann ist Erntge immer sehr bereit, sich auf alles einzulassen und wird ganz selten enttäuscht.

Tanztheater sieht gut aus. Sportliche und gesunde Körper wirbeln mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit über die Bühne, die sogar noch für das Publikum reicht. Das in den roten Samtpolstern auch ganz leicht wird und sich einen Teil der Verrenkungen schließlich selbst zutraut.

Tanztheater erzählt Geschichten. Weil es keinen Erzähler gibt, erzählt es die Geschichte, die man hören will. Ganz weit weg von zum Beispiel Orhan Pamuk (durch dessen Schnee sich Erntge grad quält), wird die Geschichte beim Tanztheater ohne Chronologie oder anderen roten Faden in flüchtigen Bildern erzählt. Kurzlebig und vergänglich; kaum wahrgenommen, verschwindet das Bild/die Idee, um sich wieder neu zu konkretisieren, neu zu formieren, einen anderen Zugang zu bieten. Und so kann es auch sein, dass am Ende die 361 Zuschauer ganzen 361 verschiedenen Geschichten zugeschaut haben. Erntge liebt sowas.

Tanztheater kann auch noch gut klingen. Emanuel Gat hat eigens für „Brilliant Corners“ eine Klangcollage angefertigt. Musik und Tanz verschmelzen und fangen alle Sinne ein. Abgeguckt hat er sich die Kompositionsmuster dafür von Thelonius Monk, den Erntge heiß und innig liebt. Juhu!

Erntge hat gestern verstanden, dass Impulse von außen wichtig sind, dass aus der Reihe tanzen eine Gruppe durchaus weiterbringen kann und dass all you need is love.

Spruch des Tages.

Wednesday, August 3rd, 2011


“Es is ja nich so, dass wir kein Geld hätten… Wir hassen einfach die Deutsche Bahn.”

Regenarsch, halt ein.

Tuesday, August 2nd, 2011


Es gibt ein Arsch in meinem Leben und der
ist das Wetter. Das doofe.

Trieft und sifft und hagelt ins Gesicht
in das doch Sonnencreme soll.
An Sommersüßer Stelle
gewaltet Seuche, Schlamm und Dreck
… und geht einfach nicht weg.

Rinnsalt und morastet durchs Gemüt
in dem kein lieblicher Gedanke blüht.
Seit Menschengedenken.
Hundert Jahre Regenguss – wer kann das ertragen?

Der See spuckt Blasen und deutet an
dass man hier nicht baden kann.
Handschuh und Schal sind treue Begleiter.
Im Juli. Das macht auch bang.

Herrje! Halt ein!
Wetterarsch, grober, lass ab.
Musst mir meinen Sommer doch lassen stehn
und mein bisschen Bräune am Arm, die Du nicht gebaut!
Und überhaupt
reicht’s!

Stets eingedenk bereits.

Sunday, July 17th, 2011


Während die Stadt das Eine weiter kaltblütig verweigert, übertrumpft sie sich diese Woche mit vorzüglichen Angeboten zum stattdessen machen: eine tiefgrüne Wiese zum Backgammonspielen, ein Badesee zum Schwimmen und Füße auf dem Grund betrachten, ein Postfuhramt mit Polaroids, die im Augenblick des Betrachtens selbst verblassen, eine Durchtanznacht mit Papageienkuchenvorspiel und noch Open Air Kino: gleich um die Ecke und für lau. Und dazu dann aber auch noch eine Handvoll außergewöhnlich toller Menschen, die alles mitprobieren. Tüllich ist Erntge verwirrt und fährt erstmal an die Ostsee.

Strand und Wetter halten zusammen.

Tuesday, July 12th, 2011


Strandfest: Und?

Wetterfest: Kann losgehen.

Strandfest: Die Ostsee hat nur 15 Grad oder so. 14 vielleicht.

Wetterfest: Das muss gehen. Die Leute wollen das. Physische Sensation und so. Die Großstädter macht sowas froh, glaub ma.

Strandfest: Weiß nich ob der Pavillon hält.

Wetterfest: Das wird festgezurrt. Windy hat sich eingeschrieben für Samstag von 18-20 Uhr. Das geht.

Strandfest: Regen?

Wetterfest: Du kennst ihn doch.

Strandfest: Man ey. Dieser Idiot.

Wetterfest: Der hat grad Zoff mit Claire, is ganz schön jähzornig. Aufm Plenum hat er Flocki rund gemacht, das war nich schön, sag ich dir.

Strandfest: Was konntest Du rausschlagen?

Wetterfest: Freitag 20 Uhr 30 pünktlich zum Zeltaufbau. Halbe Stunde oder so. Müssen die halt ranklotzen mit der Plane. Und denn will er aber für Samstag seinen großen Auftritt.

Strandfest: Oh man.

Wetterfest: Claire hat sich stark gemacht und zaubert was zum Untergang dann.

Strandfest: Ja, aber Regen?

Wetterfest: Wir konnten ihn überreden, sich zeitlich auf ne Stunde zu beschränken. In der will er dann aber auch alles geben. Samstag 20-21 Uhr.

Strandfest: Man das doch Primtime! Das Mist.

Wetterfest: Ja. Aber wenn Clairchen nachher ordentlich aufdreht sind doch alle versöhnt. Und wenn die schlau sind, packen die den Pavillon halt an Strand. Da ne Stunde eingeklemmt wie die Heringe drunter stehen und festhalten, Bier und so.

Strandfest: Könnte ja auch lustig sein, meinste…

Wetterfest: Klar ey, noch zwei Touristen organisiert, die n Foto von denen bei machen und gut is.

Strandfest: Okay. Was mit Sonntag?

Wetterfest: Einstimmig für Schokoladenseite.

Strandfest: Super.

Wetterfest: Ja.

Vorschlaghammer Regen: Illusion zerkloppt.

Monday, July 11th, 2011


Das mit den Gummistiefeln war vielleicht nicht die schlechteste Idee, die Erntge je hatte. Im Seuchengebiet schützten sie vor teilweiser Verschlammung zweier verquollener Extremitäten. Natürlich geht optimaler immer. Sie hätten a) 2-3 Nummern größer sein können. Oder b) atmungsaktiver, denn wo keine Luft rauskommt, bilden sich Mikrokosmen, deren Existenz ernt ungern zur Kenntnis nimmt. In Kombination ergeben a) und b) Hackenraspelsalat. Das ist nicht schön. Es hätte c) ja auch nicht regnen müssen. Jedenfalls nicht die ganze Zeit. Typischer norddeutscher Sommer hin oder her: nass erträgt sich leichter bei Aussicht auf Trocknung. Bleibt diese aus, vervorschlaghammert so ein Dauerregen die Gehirnhälften.

Und außerdem gefährdet er die Illusion! Zu seinem 15. Geburtstag hätte sich das beste Festival der Welt wieder einmal selbst übertreffen können: alles war da. Ein Überangebot an schillernden Zugängen zu prächtigen Parallelwelten. Licht, Farben, Töne, Wörter, Bilder. Feuerspuckende, schwankende Turmbühnen. Viel vom Schein spülte der Regen davon.

Was bleibt: der Glaube an dieses Festival, das sich im Zwischen von Realität und Illusion selbst organisiert. Wo Farben Farben und nicht Werbung sind. Wo erahnbar wird, was möglich ist. 100% Sympathisantin.

Alle wollen Fusion.

Tuesday, June 28th, 2011


Alle kriegen Fusion. Eine knappe Woche Lärz soll es werden. Und Erntge freut sich nicht nur auf Ez3kiel. Große umfassende happiness und im Gepäck auch Gummistiefel. Außerdem lernt Erntge endlich richtig Kaffee kochen, Leute! Mehr geht nun wirklich nicht. Wir sehn uns an der Oase.

Hauptsache Rot.

Wednesday, June 22nd, 2011


Erntge konzentriert sich jetzt. Auf das dunkle und das helle Rot. Auf das Orange und das verwischte Zartgrün. Auf den Inhalt in der Schrankwand. Darin verbirgt sich viel mehr als Erntge denkt. Und der Typ am Fenster wird ihr bald zuflüstern, woher er den schönen Hut hat. Vielleicht verrät er ihr später noch andere Geheimnisse.