Ein Hoch auf das liebste Meerestier. Sie hat es wieder getan und Erntge ist jetzt verliebt in Howard Zinn. Leider ist der schon tot. Aber frischer denn je ist seine „A people’s history of American Empire“ (2008). An der neusten Schublade in Erntges imaginären Schrank der tausendundeiner Literaturgattungen steht schick „graphic history“.
Keiner mag die USA. Zinns Buch erinnert daran, wieso. Aus den Perspektiven Unterdrückter wird die stumpfe Ausbreitung des US-amerikanischen Imperiums über die Jahrhunderte nachgezeichnet. Dabei stehen individuelle Schicksale und historische Details im Vordergrund. Die leichten schwarz-weiß-Zeichnungen von Mike Konopacki vermitteln die schwere Geschichte von immergleichen Größenwahn, Anmaßung und Arroganz. Sie werden sorgfältig mit authentischem Quellenmaterial untermauert. Die Handlung rahmt die Person Zinn selbst ein: wir fühlen uns wie bei einer seiner Vorlesungen, in der Geschichte lebendig wird. Dass Zinn so ein engagierter Typ ist (Bürgerrechte, Friedensbewegung), macht ihn unglaublich sympathisch. Klug!
Zahlreiche Anekdoten lassen uns kopfschüttelnd zurück. Beim spanisch-amerikanischen Krieg starben übrigens 94% der Soldaten an … Gammelfleisch! Die Firma Amour and Co aus Chicago verkaufte 2,5 Tonnen verdorbenes Fleisch an die Armee.
Was nun tun mit der ganzen Wut auf diese große Schweinerei US-amerikanischer Kolonialgeschichte? Nach dem Moro-Massaker (US-Soldaten kesseln auf den Philippinen 900 schutzlose Indigene ein und schlachten sie regelrecht ab) gratuliert Präsident Roosevelt zu dieser „brillianten Glanzleistung“ durch die die „Ehre der amerikanischen Flagge“ so hoch gehalten wurde. Das ist widerlich. Erntge wusste nicht, dass Mark Twain seine letzten 10 Lebensjahre dem Kampf gegen die Besetzung der Philippinen widmete und dass er sich als Anti-Imperialist eine US-amerikanische Flagge mit schwarzen statt weißen Balken und mit Totenköpfen statt Sternen wünschte.
Auf die Ereignisse von 9/11 reagiert Zinn mit dem Vorschlag eines neuen Denkmodels: an den Schmerz derer denken, die überall auf der Welt Opfer US-amerikanischer Militäraktionen geworden sind und bewusst entscheiden, keinen Krieg zu beginnen. Politik und Medien kritisch hinterfragen. Sich klar machen, dass die Invasionen in Afghanistan und im Irak keine Einzelereignisse seien, sondern Teil eines wiederkehrenden Musters US-amerikanischen Verhaltens.
Es gibt diesen kleinen Film „Empire or Humanity? What the Classroom Didn’t Teach Me about the American Empire by Howard Zinn“, der einen sehr guten Einblick ins Buch und Zinns Auffassung gibt.