Bei -43° und zwischen fluoriszierenden Algen passierte es. Nora Noir und Erntge sitzen am Tisch und zack, kippt die Welt links und rechts weg. Vorne und hinten auch. Zwei am Tisch, umgeben von Abgrund. Erntge weiß nicht mehr, ob sie mutig oder verzweifelt war. Das Messer blitzte kurz, als Erntge es anhob und zustach. Erst ins eigene, dann in Noras Herz. Erntge war nicht mehr oder endlich ganz sie selbst. Zitterte wie blöd, heulte, hörte die eigene Stimme wie von 1000 Meilen unter dem Meer.
Erntge traute sich ganz kurz, Nora in die Augen zu sehen. Rechnete mit Wut oder Angst oder sowas. Nein. Da war eine gewisse Faszination in Noras Blick? “Erntge, endlich!”, schien sie ihr zuzuzwinkern. Wie schön sie war. Das war tatsächlich sie. Herrje, da war sie wieder.
Eine Sekunde später, als die Welt wieder um den Tisch herum hochklappte, das Gemurmel wieder einsetzte und neue Eisgewächse sich auf den beschlagenen Scheiben hochrankten, schüttelte sich kurz Erntge. “Was machen wir jetzt mit dieser Sauerei?”, fragte sie und zeigte auf die blutroten, zuckenden Klumpen auf dem Tisch. Erntge musste kurz an das Wort “Herzkompott” denken. Nora aber schüttelte ihren schönen Kopf zurück ins Jetzt und winkte ab: “Erntge, das machen wir später. Ich dank dir. Mach’s gut.” – Und weg war sie wieder. Dunkel, Schneepeeling von vorn und ein unfassbarer klirrender Wind. Später schenkte sich Erntge 3 Schnäpse ein und schlief so schlecht wie noch nie.