Affektinkontinenz beim Tanzfest.

Erntges Herzfestival. Auf dem Programm: Zerschweig es!, Verfaulte Erdbeeren, Paralyse lost, Akkuschraub’n’Bohr. Eine Kontakttanzcombo trollt sich dazu auf dem Rasen. Klaro überfordert das. Deswegen suchte sich Erntge was andres. Nämlich! (Und es musste ja mal so kommen): Rudolstadt. Was Erntge früher zu world war, kommt jetzt genau richtig. Ein Musik- und Tanzfestival. Kaum zu fassen, dass Erntge sich genau 2 CDs mitgebracht hat. Und zwar eine Soul und eine Country, das gibt’s doch gar nicht! (siehe Affektinkontinenz.)

 

Dieses Festival ist anders. Für und Wider tanzen fröhlich im Kreis. Hübsch, wenn die Omi nebenan lustig den schickbeschuhten Fuß wippt, während Erntges Schweiß auf ihren hellen Sommerhut tropft. Der Schweiß kommt vom unglaublichen Sound, den Las Kumbia Queers auf der Hauptbühne produzieren. Was für eine Band, was für eine stampfende Meute – und mittdrin in der Staubwolke: das Ömchen mit verdrecktem Sommerhut. Dass das Festival generationenübergreifend ist, merkt man auch daran, dass ab 3 tatsächlich Nachtruhe ist und auf dem feuchtwiesenen Zeltplatz maximal Schnarchen zu hören ist. Kein einziger Bachstelzenbass. Ab sieben krakeeln dafür die Kids nach Mutter- oder Schokomilch, …ausgeschlafen geht das.

Was Erntge nicht wusste: Menschen können auch nach Regeln tanzen. Und freuen sich darüber. Wie Sau!! Erntge hatte große Angst vor dem Folklore- und Traditionsaspekt und fürchtete sich zu Unrecht. Im Tanzzelt ging’s ab und Zydeco rulez, ey. Jedoch! Kackt sich in die Hose, wer die Regeln des Paar- und Kreistanzes nicht kennt: Erntge ward aufgefordert überfordert. Schlimmer noch: schlug aus und kommt nun wohl definitiv in die Hölle wegen akuter Ignoranz. Uaaah.

 

Das Festival findet auch statt in der Stadt. Auf der schönen Heidecksburg liegt es sich wunderbar unter Bäumen und dem verwöhntem Ohr wird wie nebenbei Großartiges geboten: finnischer Tango mit Bass, Fado, und allerhand Violine, Klavier und rockige Flöte. Ein bisschen Italien träumt sich zwischen Lustgarten und Orangerie und dann noch auf den schmalen steilen Pfaden von der Burg in die Altstadt. Von unten wummern sich dann schon Bauchklang einen zurecht und bringen bereits erhitzte Gemüter zum Kochen.


Und wo waren eigentlich die Freaks? Mhm. Auf der Bühne und im Zelt nebenan. Annamateur schmetterte geistreich, wütend und kraftvoll Lieder und Sprüche gegen ein verdutztes Publikum. Und Bryan, König aller Pilze, kitzelte zum Frühstück sein Banjo. „Wie! Mann! Schreit! In! Wald! Schallt! Es! Her! Raus!“ Wohooo! Den schönsten Moment erlebte Erntge beim dicken Fred ihm sein Drops. Wie spektakulär warm, präzise, unaufdringlich, hoffnungsvoll, leicht, beschwingt, einfach und schöööön! Das ist Erntges Sommersoundtrack, alles steckt dadrin. Am besten dazu am erfrischendsten Ort des Festivals alle Zehen ins Wasser stecken! Das Schwimmbad ist von 1901 und der beste Ort zum Zelten. Das Wasser ist so kalt wie die Saale.

Natürlich war Erntge im Rudel unterwegs und freut sich über die friends.


Es war ungefähr so:

„Heute morgen kein Kontext.“
„Bratwurst ist Konsens.“
„Manche Menschen sehen von hinten anders aus als von vorn.“
„Das ist Bryan. Und ich bin verlobt.“
„Wir sind zufrieden.“

Jetzt, wo Erntge so irrsinnig offen für alles ist, möchte sie unbedingt nächstes Jahr wieder hin nach Rudolstadt. Zu einem Festival, das so ist: friedlich, überraschend und tanzbar. Mit Umsonstduschen und Wasserklosetts und Kirschen: jawoll.

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