Der Spagatpreis.


Geht an diesem Tag an einen Film. Der nicht mehr ganz neu ist, zukünftig aber an Aktualität gewinnen wird. Geht nicht? Doch. Den Film hat Erntgo in der schönen Kulturfabrik um die Ecke angeschaut. Da wo es Open Air Kino ohne lästigen Eintritt gibt und Konzerte und wo im Filmrauschpalast der bejährte Projektor seit ewigen Zeiten rührige Liebesheiraten mit den Themen seiner Filmrollen eingeht und sie an Fidelität unübertreffbar ohrenbetäubend ratternd begleitet. Vielleicht lag’s ja tatsächlich am ursteinernen Knatterprojektor oder doch am zündigen Thema des Films – Four Lions hat Erntge jedenfalls irgendwie umgehauen.

Hätte der Film ein Gesicht, wäre es jung und verschmitzt. Die Nase wäre ein bisschen Rock’n’Roll und die Augen, smart und freundlich, hätten links und rechts je einen exquisiten Fächer aus Lachfalten. Dem Mund sähe man an, dass er dran gewöhnt ist, unliebsame Wahrheiten zu überbringen. Mit britischem Akzent. Hätte er Beine, stünde Four Lions mit einem in der Komödie und mit dem anderen im Drama. Auf seiner Hose stünde protzig die Marke SATIRE. Mit seinen Beinen, wenn er die denn hätte, wäre er immer in Bewegung: rasend, strampelnd, tanzend, steppend vielleicht.

Wer sich traut, lacht was das Zeug hält. Die Witze, die der Film erzählt, sind allerdings schwarz wie die Krähen, die drin, weil als Übungsobjekt verkabelt, explodieren. Es geht um islamistischen Terrorismus, um religiösen Fanatismus und Jihad. Um diese fern-schwammigen Dinge, die uns die Medien unserer Wahl meist in Form von Meldungen über grausame Selbstmordattentate auf den Rand unserer Schirme beuteln. Erntge hat sich an diese Flecken auf ihrem Schirm gewöhnt, latscht halt damit rum und stellt sich kaum Fragen. Und genau hier setzt der Film an.

Erntge hat auch gelacht. Aber immer nur so halb, weil trotz paukenschlag-witziger Übertreibung und feinsinniger Verzerrung Four Lions auf eine Lebenswelt referiert, die für keine Ahnung wie viele Menschen Realität oder Ideal darstellen. Sich selbst in die Luft zu bomben und dadurch im Kampf auf dem Wege Gottes zum Märtyrer zu werden, bleibt schwer nachvollziehbar. Und auch deshalb gewinnt Four Lions heute den Spagatpreis, weil er spritzig unterhaltend islamistischen Terrorismus einerseits konsequent ridikülisiert und andererseits in Facetten klug porträtiert. Wenn in Omars Gutenachtgeschichte der König der Löwen Simba zum mordenden Märtyrer wird; wenn Omar die schnöde Phrasendrescherei seiner religiösen Brüder frustriert; wenn er sich sachlich von seiner Frau verabschiedet bevor er sich in die Luft sprengt, und die das auch noch gut findet, dann sind das ungewohnt schonungslose Ein-Sicht-en, für die der Regisseur Chris Morris beglückwünscht werden muss.

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