Valesko Reist-Stetig. (3)

November 3rd, 2011


Valesko und Statiska saßen am Fluss und knarzten. Der Herbst hatte die Blätter der Bäume gelb gemacht, manche braun. Der mildmodrige Geruch hier im schützenden Schilf ließ ihre Sinne hüpfen. Über ihre Köpfe hinweg schwirrten vereinzelt Mücken durch die noch wärmende Nachmittagssonne. Die lachten ihrem Tod beneidenswert unbeschwert ins Auge.

Valesko quakte zufrieden. Er genoss die Stille. In den letzen Tagen war er rührig um den Teich gesprungen, hatte hier getrommelt, da gewirbelt und es allen gesagt. Dem lustigen Zipfelfrosch, dem Schlammtaucher, der stinkenden Knoblauchkröte und dem stolzen sardinischen Scheibenzüngler auch. Hatte es ihnen allen laut zugerufen. Dass er einen schönen Ort suche! Für sich und seine Jungfröschin. Der alte Schaufelfuß hatte ihm verraten, dass das Licht am Waldtümpel morgens unfassbar schön sei. Vom Stummelfuß hatte Valesko erfahren, dass es das beste Insektenfrühstück drüben am Sumpf gab. Nur die doofe Wechselkröte hatte gezischt, ob Valesko nun ein Spießerfrosch werden wollte oder was. Pffff. Valeskos linke Warze schleimte gesund vor sich hin.

Statiska grunzte heiter. Sie hatte eine Tüte bunter Mollusken mitgebracht, die sie nun lustvoll lutschte. „Quark!“, quakte sie und rülpste fröhlich in die Wolken. Die letzten Tage, die Statiska mit der Zukunft verbracht hatte, hatten sie ermüdet und diese kleine Pause jetzt mit ihrem liebsten Frosch tat ihr gut. Jeder weiß, dass die Zukunft die unberechenbarste aller Zeitgenossinnen ist. Als Statiska und Zukunft zum Beispiel durch den Wald gesprungen waren, war die Zukunft oft stehengeblieben, so ganz ohne Vorwarnung. Nur um dann zu Riesensprüngen anzusetzen, bei denen Statiska die Puste ausging. Puh. Am Teich hatte die Zukunft Statiska immer widersprochen und manchmal so überrascht, dass Statiska gar keine Worte eingefallen waren.

Statiska und Valesko hatten sich überlegt, dass wer ein Zuhause wollte, sich mit der Zukunft anfreunden und Helferlein suchen musste. Ob das stimmte, wusste der Fuchs. Aber den mieden die beiden, weil er so streng aus dem Hals roch.

(Fortsetzung folgt.)

Die anderen sind viele.

October 26th, 2011

Erntge macht ja grad was Neues. Es hat zu tun mit sehr früh aufstehen und zwar jeden Tag. Dem Typen, der täglich neue Schlipse vorführt, hört Erntge zu. Sieben Stunden lang. Dass der die Groß- und Kleinschreibung nicht beherrscht, von sich stets im „wir“ spricht und das überhaupt ziemlich anglophon macht (der „nimmt“ Entscheidungen), ist nicht das Problem. Und wenn man das überhaupt so bezeichnen kann, ist es eher folgende Erkenntnis, die Erntge nach drei Tagen wie Schuppen aus den Haaren fällt: dass nämlich die anderen viele sind. Mehr als die einen jedenfalls, die Erntge kennt.

Erntge will sich nix mehr vormachen, sondern klar. Leute, (und jetz Ruhe bewahren), es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Erntge in einer Parallelwelt lebt. Hui! Und die hat kaum Schnittmengen mit der Realwelt. Die Realwelt erklärt Erntge nämlich grad der Mann mit den Schlipsen. Erntge mit offenem Mund. Konkurrenz – Effizienz – Profit – so maschinenpistolt es durch den Seminarraum. Wichtig findet der Schlipsmann, zwischen nice to have und absolut notwendig zu unterscheiden. Menschen sind in seiner Welt Risikofaktor. Der Schlipsmann sagt, man könne beinahe alles kalkulieren und kontrollieren, sogar den Zufall.

Erntge kratzt sich oft am Kopf. Trotzdem findet sie gut, über den eigenen Tellerrand hinaus in diese andere Welt zu schielen und die Nischen zu suchen, in der ihre reichlich ineffizienten Ansätze Platz finden. Mit okayen anderen Menschen zusammen entwirft sie Systeme, bastelt an digitalen Schaubildern und Wechselbeziehungen, um den vermittelten Input zu verarbeiten. Dazu lernen ist gut. Viele neue Wörter purzeln aus der Wand. Und wer hätte gedacht, dass das Wasserlaufmodell zwar einen sequenziellen Ansatz hat, jedoch revolvierend funktioniert!

Erkenntnisse, neu.

October 24th, 2011

– vom Hochbett kann ernt auch im Halbschlaf klettern
– ein Doppelwecker hält doppelbesser
– 6h45 macht Internet noch keinen Spaß
– vor 7 sind 4 Grad in Berlin
– die Hand vor Augen ist dann nicht zu sehen
– Erntge wird nicht zum Automaten
– jedenfalls nicht in the long run.

Die Kritiker der Kritiker hören Roger Whittaker.

October 16th, 2011

Manche Zitate sind wie die Stroke.Artfair 2011. Dies zum Beispiel. Erntge weiß gar nicht, von wem es ist und was es bedeutet. Sie schiebt es leichtfüßig ihrer Feundin Anna in die Schuhe und freut sich über die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten. Bei der Stroke.Artfair ist es auch ein bisschen so. Autorenschaften sind nicht wichtig (es sind auch einfach zu viele und ihre vertaggten Namen entziffern eh nur die Profis) – und wie beim Zitat oben schlägt Erntges Herz für die einladenden Impulse zur Erschließung des Inhalts, bei der Kunstmesse sind die allesamt visuell.

Die Stroke.Artfair ist eine hippe urban art Messe, die dieses Wochenende am und im Postbahnhof stattfand und sich selbst in der Vermittlerrolle zur „Kunst für das 21. Jahrhundert“ sieht. Während die Institution Museum als elitäres Trophäen-Kabinett abgelehnt wird (hat Banksy gesagt, muss also stimmen), steht der erlebnisorientierte Umgang mit Kunst im Vordergrund: Fragen können direkt am Objekt geklärt werden, weil die Kreativkreatoren mit ihren Macbooks direkt daneben sitzen; der Blick über die schaffende Künstlerschulter ist drinnen und draußen möglich; das Publikum darf selbst Kassetten bemalen und puzzlen.


Warum Erntge trotzdem nicht aufs Museum verzichten möchte? Weil es dort keine Werbung gibt. Das nervige Lifestyle-Gedöns der Stroke.Artfair macht sie nämlich auch irgendwie unglaubwürdig. Keine Ahnung, was der mittelmäßige Kleidungshersteller mit Kunst zu tun hat und warum die Messe an eine Städtetour eines Automobilherstellers gekoppelt sein muss. Wenn die Message sein soll, dass „Kunst im 21. Jahrhundert“ nicht ohne Marken und Marketing geht, dann sollte nicht „Leidenschaft und Hingabe“ vor dem „betriebswirtschafliche[m] [R]echnen und [K]alkulieren“ gelobpreist werden. Das ist sonst nämlich Heuchelei. Und die mag nicht mal Roger Whittaker. Und als Kunstpfeifer ist der schließlich irgendwie Experte.

Architecture in Helsinki.

October 13th, 2011


Yeah, yeah und nochmals yeah. Yea-heah!! Brrrrrring! Jipiiiiiii. Kawommmmm! Klonk! Klingeling. Klingelingeling! Schepper. Juhuuuu! Baunz. Klirrrrrrr. Manche Leute müssen einfach auf Bühnen. Und wenn die dann drauf stehn, sollte man davor tanzen. Auf die 80er scheißen und tanzen. Hände in die Luft und ab. Kann sein, dass Erntge grad sehr glücklich ist.

Anne Clark rettet einen verfirlefanzten Abend.

October 11th, 2011

Wer greift schon gern ins Klo. Erntge wird jetzt ganz sicher keinen Haarspalter fragen und auch potentielle Zielgruppen mit Fetisch, Rausch oder geistiger Umnachtung schön außen vorlassen. Wobei… um Rausch sollte es ja irgendwie gehen, gestern in der Volksbühne.

Ach, Volksbühne. Von dir hat Erntge so viel erwartet, so einiges reinprojiziert in dich. Und nun: Enttäuschung, Frustration und der heiße Wunsch, Erwartungen für immer und ewig abzuschaffen. Denn wenn das da gestern auf der Bühne im großen Haus künstliche Paradiese sein sollten, dann möchte Erntge lieber in der Hölle sein, ob nun künstlich oder nich, ob analog oder digital, auf jeden Fall NIEMALS wieder festgetackert am Polstermöbel, wenn Tarwater auf der Bühne in Endlosschleife „The hours“ … na jedenfalls nicht singt. Und irgendwer sollte auch dringend Mariahilff helfen. Egal wer, bloß möglichst bald. Das hält einfach kein Mensch aus. Lars Rudolf, mach Film, mach Serie, spiel ruhig Trompete… aber bitte, bitte, bitte sing nicht mehr öffentlich.

Und was hatte das alles eigentlich mit Baudelaire zu tun? Da hat dieser Kai Grehn ein scheinbar sehr feines Hörspiel gemacht, ausgehend von Baudelaires Essay „Die künstlichen Paradiese“ (Les paradis artificiels, 1860). Baudelaire beschreibt darin den Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und kreativem Schaffen (erster Teil Haschisch, zweiter Teil Opium). Ins Zentrum des Hörspiels packt nun Grehn Baudelaires Gedicht „Berauschet Euch!“ (Enivrez vous!) und bittet ausgesuchte internationale Künstler um eine musikalische Interpretation. Darunter auch Jeanne Moreau, Sandow, Nouvelle Vague und Anne Clark. Tolle Leute, tolles Thema, das funzt.

Aber nicht auf der Volksbühne. Da wirkt Alexander Fehling (nein, der sieht überhaupt nicht aus wie Baudelaire) grün und aufgeregt, da nervt Mariahilff und ist überhaupt nicht lustig, da schnarcht sich Tarwater in die Endlosschleife. Zwischendurch wird die Bühne umgebaut und es werden lieblos Bilder Baudelaires auf die Leinwand projiziert und Ausschnitte seines Essays abgespielt. Ohne Zusammenhang und sinnfrei. Natürlich lässt sich das kaum ein Zuschauer gefallen: es wird gezuckt, gerückt, gerüttelt, umhergestiegen – es ist nicht schön und allen klar: das hier ist der ultimative Griff ins Klo. Auch Erntge muss kurz auftauchen und vor der Tür durchatmen. Fühlt sich verraten und peinlich berührt.

Zwei Frauen retten Erntges Abend. Anne neben ihr und Anne auf der Bühne. Ein Hoch auf beide und noch ma eins auf Anne Clark. Ja, die gibs noch und sie sieht toll aus und haut einfach um mit großartig poetisch verdichteten Texten und ihrer unglaublichen Stimme mit krasseckigem Croydon-Akzent. Beides wird an diesem Abend von berauschenden Klaviertönen (Murat Parlak) begleitet. Ein Glück. Für einen erlesenen, edlen Moment lang kommt das Publikum zur Ruhe und himmelt höflich Anne Clark an, auch weil sie nach diesem verhunzten Abend authentisch ist: pur, ungeschminkt, originell und klar. Das entspricht Erntges Paradiesvorstellung: lehnt sich zurück und genießt, wie Sinne und Gedanken endlich tanzen. Das ganze Brimborium davor kommt ihr danach noch peinlicher vor.

Das mit den Nasen.

October 8th, 2011


Gestern traf Erntge die schöne Nofretete im Museum und trug ihr Dolphingens tolles Rätselgedicht mitsamt Übersetzungsangebot vor. Nofretete blinzelte Erntge königlich zu und schien überhaupt hoch erfreut über den Besuch. Auf dem Rückweg fiel Erntge auf, dass Nofretetes Zeitgenossen (ob sie nun schritten, standen, schritt-standen, schrieben oder würfelten) auffallend häufig die Nasen fehlten. Abgefallen? Erodiert? Obelix?

Die Antwort gab Erntge eine angenehme Frauenstimme in die Ohren, die sich auch mit Hieroglyphen auskannte. Nämlich! Bei den Ägyptern galt die Nase als Sitz der Seele. Davon gab’s mehrere und „Ka“ war so eine Art Lebenskraft. Wenn nun jemand starb, blieb „Ka“ in der Nähe des Leichnams. (Deswegen auch so aufwendige Totenführsorge: Kanopen, Sarkophage und Mumifizierung.) Die Ägypter glaubten, auch Statuen oder Büsten von Leuten könnten als Behälter für deren Seelen dienen. Wollte also jemand ganz sicher sein, die Seele eines Verstorbenen zu zerstören und ihre Auferstehung für immer und ewig unmöglich zu machen: zack, Nase ab!

Erntge überlegt, dass sich auch ihre eigenen Zeitgenossen, heute, 3400 Jahre später, gegenseitig auf die Nase haun. Oder woandershin und anders. Neverending story düdüdü düdü.

Ein Hauch von Wisper.

October 4th, 2011

Huch, das ist definitiv neu! Erntge kann nicht mehr sprechen. Echt. Hat ihre Stimme verloren, irgendwo letztens zwischen Dampfer und Theater. „Bisschen heiser”, versucht sie erklärend in alle Richtungen, weil’s aber so extrem leise krächzt und nur kurz scheppert, starren die meisten Menschen irritiert und wissen auch nicht so recht.

Das verheerende Ausmaß wird Erntge richtig vorm Berliner Ensemble bewusst: da hat doch nach der Vorstellung irgendein Idiot Erntges Fahrrad so fies zugeparkt, dasses kein Entkommen mehr gibt. Diskussion mit solchem Unhold kann Erntge vergessen, ohne Stimme wird das lächerlich. Aber jetzt Stunden warten auf den Grobian? Nein nein, Erntge erhofft sich Unterstützung von zwei anderen fahrradfahrenden Theaterfreundinnen an der Ecke. Und will die um Hilfe bitten. „Fiep zischel, knarz?”, fragt’s und erhält keine Reaktion. „Hauch? Ha- auch!” – Gut, die Theaterfreundinnen haben Erntge endlich entdeckt und geben sich Mühe mit Verstehen. So gemein ist’s, Erntge weiß schließlich genau was tun! Die eine muss da heben und die andere da ziehen und genau in dem Moment kriegt Erntge da ihr Fahrrad rausgezwirbelt, sieht man doch! Dass die Damen verbal angeleitet werden wollen und Erntge mit großen Augen gleichzeitig mitleidig und irgendwie angewidert angucken, regt Erntge ein bisschen auf. Nerv! Frustration! Keinen polytechnischen Unterricht gehabt, oder was! Raun.

Am Frühstückstisch geht das Trauerspiel weiter. Erntge denkt tausend Dinge und kriegt keins davon kommuniziert. Die WG zeigt sich solidarisch und so wird morgens einfach ma geschwiegen. Auch praktisch: Leute ohne Stimme dürfen in unserer WG einen kostenlosen Übersetzerdienst in Anspruch nehmen. Erntges Hand- und Kopfzeichen werden interpretiert und in die Ohrmuschel weitergegeben. Sehr gut! Trotzdem freut sich Erntge darauf, dass hoffentlich bald alles wieder sei wie vorher. Bis dahin Kommunikation bitte schriftlich.

Wo die Box drauf steht.

October 2nd, 2011


Der Schinken, das Blinken, dein Mund./ Der Ringer, der Finger, ein Schlund./ Das Dromedar, dein Heiserßa, mein Grund./ Dein Gurren, mein Surren – gesund.

Neu und kaum zu glauben:

September 29th, 2011


Erntge lernt nu doch noch ma Rechnen! Pah! Nach all den Jahren…. Wer Erntge kennt, weiß was das bedeutet. Ob die veranschlagten drei Monate (Vollzeit) ausreichen, weiß kein Mensch. Plusminusmalgeteilt… es bleibt spannend.