Frankreich, Du Wiege des Syndikalismus! Schüttelst alle mal wieder kräftig durch. Eben kam die offizielle Mail vom Chef: Die Vollversammlung der Studentenvertretungen hat sich heute Nachmittag für den blocus ab morgen früh entschieden. Blockiert wird die Universität. Das bedeutet: erst kein Durchkommen für Studenten, dann verwirrte Erstsemestler vor der Bürotür. Und zu viel Kaffee sowie das schnöde Gefühl, sinnfrei und umsonst an der Uni fest zu hängen. Blockiert wird beim blocus nämlich auch der Dialog zwischen Studenten und Lehrenden. Wenn sich dieser Streik denn als Unterstützung der Lehrenden durch die Studenten verstehen soll, klafft hier die erste Lücke.
Und warum also das Ganze: letzten Donnerstag streikte Frankreich bereits national und general. Grundsätzlich alle gegen alles. Das wird sich Freitag und nächsten Dienstag wiederholen. Das Universitätspersonal insbesondere streikt gegen das im November 2008 verabschiedete „Loi Précresse“. Frau Précresse ist die Ministerin für Hochschulbildung und Forschung in Frankreich und entschied, salopp gesagt: wer nicht forscht, muss mehr unterrichten. Nämlich 16 statt 8 Wochenstunden. Das hagelte natürlich Kritik von Seiten der enseignants-chercheurs: wo bliebe denn hier bitte die Forschungsunabhängigkeit. Wir wissen: Forschung ist Politik und fragen: seit wann bestimmt Quantität Qualität. Außerdem würde dadurch eine Konkurrenzsituation unter den Kollegen kreiert, die doch besser zusammenarbeiten sollten, als sich garstig gegenseitig auszustechen. Die Augen zum Beispiel. Ein weiteres Problem: die Kontrolle durch das Ministerium. Wer bestimmt Forschungsbedarf? Wer Forschungsqualität? Wie denn? Hier dachte auch Valérie Précresse noch mal nach und veröffentlichte Ende Januar einen Erklärungsbrief mit Änderungen des Gesetzes: ein enseignant-chercheur „muss“ nun wöchentlich zwischen 8 und 13 Stunden forschen. Die Evaluierung seiner Lehre und Forschung übernimmt alle 4 Jahre die CNU, Leute vom Fach. Außerdem wird die Universität nunmehr aufgefordert, eine Liste mit den Forschungspublikationen zu veröffentlichen.
Diese Änderungen gehen den Lehrenden an der Universität natürlich nicht weit genug. Deshalb streiken sie oder veranstalten Vollversammlungen. Tatkräftig unterstützt von den Studenten – ab morgen mit Blockade wie gesagt.
Wenn man nur nicht so den Eindruck hätte, dass die meisten Studenten überhaupt nicht wissen worum es geht! Wenn man nur die Studenten aus dem Kopf bekäme, die während ihres Studiums bereits die Hälfte ihrer Seminare durch Streik verpasst haben und für die man nun „Mogelkurse“ mit „Mogelexamen“ kreiert! Wenn man nur mehr betroffen wäre. Oder weniger. Schwer, sich hier eine Meinung zu bilden. Auch, wenn man bedenkt, dass sich einige Kollegen eigentlich keinen Streik „leisten“ können, geht doch pro Streiktag eindreißigstel ihres Monatsgehalts flöten.