Pferde sind wahnsinnig gute Tiere. Wegen ihrer Größe machen sie Eindruck und kaum jemand begegnet ihnen nicht mit dem nötigen Respekt. Pferde strotzen vor Kraft. Daher auch die Einheit Pferdestärke, die misst wie viel Arbeit ein Motor in einer gewissen Zeit verrichten kann. Ein Pferd kann unglaublich schnell und sicher laufen und zwar über alle möglichen Arten von Gelände. Wetter stört ein Pferd überhaupt nicht. Im Gegenteil, Pferde wissen andauernd voll gut bescheid. Manchmal sogar schon bevor ein Mensch sich überhaupt nur einen Begriff von was machen kann. So nutzten die Slawen zum Beispiel Pferde als Orakel: beobachteten genau deren Wiehern und Schnauben in bestimmten Situationen und werteten dies dann als Vorzeichen und Hinweis für oder gegen was. Pferde sind die aufmerksamsten. Weil ihre Augen seitlich am Kopf liegen, können sie 350° gucken. Also fast im Kreis. Ihre Ohren lassen sich um 180° drehen, weshalb sie in jede beliebige Richtung gezielt hören können. Pferde sind neugierig. Sie interessieren sich für Menschen. Das muss man ihnen hoch anrechnen! Pferde sehen auch noch gut aus. Sie sind elegant, lässig, strahlen Ruhe aus und Zuversicht. In der Antike war das Pferd symbolisch mit dem Tod verbunden: schaute ein Pferdekopf auf der Abbildung eines Helden zum Fenster rein, bedeutete das den nahenden Tod dieses Helden. Neun Siebenundzwanzigstel der gesamtweltlichen Mythologie besteht aber aus pferdeähnlichen Wesen (oder werden von solchen begleitet) und immer kommt das Pferd dabei gut weg. Und Hufeisen bringen übelzt viel Glück. Und mit Trojanischen Pferden lassen sich sogar ganze Schlachten gewinnen. Und das Einhorn ist auch ein Pferd.
Deshalb! Will Nt auf eins. Nt will unbedingt auf ein Pferd. Will auf dem drauf sitzen und genau fühlen, wie sie getragen wird. Fest im Sattel sitzen in diesem ganzen beschissenen permanenten Geschaukel. Nt will reiten, am besten gleich Galopp. Weit, weiter, noch weiter, weg vom Jetzt. Bitte schnell.
Und als würde es schon reichen, überhaupt nur dran zu denken, steht Nt plötzlich vor einem Pferd. Südwestlich von Berlin, als der Saharastaub so durch die Luft molekült. Das Pferd ist sehr freundlich zu Nt. Und Nt fühlt sich total gut so dicht neben dem Pferd. Nt ist fassungslos, was das Pferd ihr alles erklärt, ohne zu sprechen. Binnen weniger Minuten sind beinahe alle relevanten Themen durch: Nähe und Distanz, Bedürfnisse haben und leben, wahrnehmen generell und speziell, Geben und Nehmen. Nt schwitzt. Jetzt aber rauf da. Ich will da rauf. Und los. Im Sattel schaukelt‘s gewaltig. Nt wird ein bisschen sehr mulmig, es ist heiß und sehr hell.
Und dann. Das Pferd steht. Hä? Weiter! Das Pferd geht kurz. Steht. Mhm. Weiter! Das Pferd geht kurz. Steht wieder. Was denn was denn? Zu heiß? Zu schwer? Pferde sind Fluchttiere. Dieses Pferd hier steht. Dieses Pferd steht und dreht abwechselnd und etwa viertelsekündlich die Ohren und schnauft. Nt weiß nicht, is doch blöd jetzt, wieso geht’s nicht weiter? Die Frau, der das Pferd gehört, ist sehr schlau. Sie sagt: „Nt, du, kann es sein, dass es hier ums Stehen geht?“ Nt ist fassungslos, es fühlt sich an, als spiele jemand auf ihren ausgeleierten Nerven Bass. Dann löst sich plötzlich was und sturzbacht schließlich feucht in den Staub, der extra den ganzen langen Weg aus Afrika bis unter die unbeschlagenen Hufe dieses schönen Pferdes geflogen ist. Touché, denkt Nt. Warum bin ich eigentlich so beschränkt. Hab es die ganze Zeit nicht verstanden.