Während sich die meisten Menschen immer schön vom Abgrund fernhalten (Bodenlosigkeit, Verzweiflung, Untergang und so), gibt es eine Frau, die sich dort häuslich eingerichtet zu haben scheint.
Carolein Smit hat in ihrer Ausstellung „L’amour fou“ die fiesesten Familienfotos und Schaurigkeiten in regelmäßigen Abständen an den Abgrund platziert und lädt die Betrachter freundlich ein, sich doch bitteschön hinab zu begeben. Und da muss jede selbst entscheiden, wie weit sie geht. Wer zögert verpasst den freien Fall, den Verwesungstanz, zu dem sich Schönheit und Tod vertraut die Hand reichen.
Erntge hat sich getraut, in Leipzig, wo die Ausstellung noch bis zum 30.9. zu sehen ist. Für die 30 großformatigen Einzelplastiken (aus Keramik) brauchte sie fast zwei Stunden und danach ging auch echt nur noch Badesee. Wie es der Künstlerin gelingt, das Unfassbare, den Schmerz und die Ausweglosigkeit dermaßen eindringlich und ästhetisch in Form zu gießen, bleibt Erntge ein großes Rätsel. Was träumt erst diese Frau, wenn sie solche Plastiken schaffen kann?
An der Oberfläche des Badesees träumt Erntge und genießt oben die Wolken und unten die Vorstellung eines festen Grundes. Carolein Smit, die krasse Alte, bohrt sich durch Schling und Schlang und verfaulte Gase rein ins Dunkel unterm Grund! Schmeckt Modrigkeit im Mund, erträgt Krebsiges im Auge, Vielfüßler zappeln sich durch ihre Nase. Wie hält sie das aus und warum hat sie keine Angst vor dem, was sie dort unten noch nicht angetroffen hat? Dass sie alle ihre Meisterwerke so üppig und fast kitschig bunt dekoriert, macht jetzt total Sinn für Erntge.