Erntge kann manchmal so schockiert sein! Diese schwere Fassungslosigkeit, wenn das Nichterwartete plötzlich da ist und erst mal nicht mehr weg geht. Nicht erwartet waren die Strapazen einer 15-stündigen Zugreise, Schimmelwände, kaputte Heizungen und der Umstand, sich eine Woche lang zu wenige Quadratmeter mit zu vielen Menschen teilen zu müssen. Erntgi war auf Klassenfahrt und Skifahren tut ihr weh.
Morgens war, wenn direkt neben dem Frühstück wild angezogene Animateure zu scheppernder Bumbum-Mucke Tischtennis spielten. Mittags war, wenn Todesangst auf verkrusteter Skipiste einschüchterte, nachmittags war, wenn im strömenden Regen um die Wette Fotos von sich küssenden Pärchen vorm Sparmarkt gemacht werden mussten, abends war, wenn Antoine übers Megaphon und abwechselnd 11-jährige boys und girls anbrüllte, die erst Songtitel erraten und sich dann aussuchen mussten, welches Kleidungsstück die aufreizende Animateurin als nächstes ausziehen sollte. Au wei: Erntge ist eine unsportliche, verklemmte, uncoole Alte!
Zum Glück wurde dann doch alles anders und Erntge sieht sich lachend in Glitzerfolie aus dem Verbandkasten zu 99 Luftballons tanzen und beim Versuch, die Halbstarken aus der Reserve zu locken. Die waren nämlich genauso an ihrer Grenze wie Erntge: überfordert.
Am letzen Abend schossen die Animateure dann den Vogel ab: aus dem Gruppenraum wurde ein begehbares stockfinstres Gruselkabinett, das nur in 3-er Gruppen und mit einer Kerze betreten werden durfte. Antoine & Co. hatten sich in Zombies verwandelt, denen Haut und Speichel aus dem Gesicht troff. Beim analogen Slender-Spiel kreischten alle Kinder und ihre Betreuerinnen: ein herrlich chaotischer Schockzustand. Versaute Klamotten, ausgerissene Haarbüschel, Schürfwunden, Bissspuren… bei uns undenkbar, doch so gut, weil alle Kinder lachten.
Nun ist Erntgi also wieder da mit herrlich aufpoliertem Französisch. Der tiefsitzende Restschock wird am Schreibtisch verebben: an dem ist jetzt nämlich Endpsurt bis zur Lehrprobe.