Zwischen den Generalstreiks.

Wer blickt eigentlich noch durch?

Das Unipersonal streikt. Also nicht alle. Wer genau, weiß ich nicht. Ich streike nicht. Es streiken auch nicht alle gleich. Manche Institute streiken pädagogisch (keine Kurse), andere streiken administrativ (keine Unterschriften mehr auf offizielle Dokumente.) Das Germanistikinstitut streikt administrativ, hat aber keine Studenten. Weil:

Die Studenten streiken. Also nicht alle. Aber viele. Die treffen sich dann einmal die Woche in vierstündigen Vollversammlungen und reden und manche wackeln lustig mit den Armen, wenn sie mit was einverstanden sind. Und sie machen Aktion auf der Straße, da gibt’s auch beinahe täglich Artikel in der Regionalpresse.

Studenten und Personal streiken aber nicht aus denselben Gründen. Studenten streiken zum Beispiel gegen die Masterisation des concours (die Lehrerausbildung soll demnächst in einem unschaffbaren Master stattfinden). Das Unipersonal streikt zum Beispiel gegen den Status der enseignants-chercheurs (wobei Valérie Précresse hier schon auf einige der Forderungen eingegangen ist – reicht aber wohl noch nicht.)

Manche munkeln, ohne die Studenten könnte es gar keine Bewegung des Personals geben. Und Studenten sind auch manchmal gar keine Studenten, sondern altes Anarcho-Urgestein, was seit Jahren bei jedem Streik mitmischt und bei AGs abstimmt. Und die Gewerkschaften, ne, die machen auch mit in den AGs, weshalb Abstimmen jetzt nur noch mit Studienausweis geht.

Soweit so unklar. In einigen Fakultäten (Jura) findet gar schon wieder Unterricht statt. Und wenn dann pro-blocus-Leute in deren Seminare stürzen, um sie zu „retten“, schreien jene, sie könnten sie mal. Nicht jeder Student ist nämlich für die Fortsetzung des Streiks. Auf dem Uniforum kann man eine Milliarde Kommentare zur Fragestellung lesen, was der Streik letztlich nützt. Wird sich auch viel beschimpft dort, kann man gut Vokabeln lernen. Zudem gibt es inzwischen auch eine Petition der Leute, die gegen den Streik sind. Da wird auch gefordert, dass alle Blockierer bestraft werden. Weil, ja klar, es werden natürlich wieder Sachen zerkloppt (vor allem Technik) und Stühle geklaut, einige Gebäude sind nachts besetzt. Die Petition läuft über die Bewegung UNI, der man skeptisch gegenüberstehen sollte, weil plakativ gehetzt wird gegen den „intellektuellen Terrorismus der Extrem-Linken“.

Nun ist die Entscheidung der Studenten über Streik oder Kurs heilig. Allen. Denn die studentische Vollversammlung als „demokratisches“ Entscheidungsgremium ist wichtig und muss respektiert werden. Deshalb gibt es bei uns also keinen Unterricht. Der Kontakt zu den Studenten ist leider inexistent. Unser eingerichteter Raum zum Versammeln, Arbeiten, Organisieren wird von 4-5 Leuten genutzt. Wenn er nicht geschlossen ist wegens akuter Gewaltgefahr. (!!!)

Besonders weh tut das alles, wenn man an die Anfänger denkt. Die frisch an der Uni sind, die noch nichts wissen von ihren Rechten und Pflichten und die über die sechs Wochen jedes deutsche Wort vergessen, das man ihnen mit den Kollegen zusammen so schwungvoll im ersten Semester eingeholfen hat.

Gelähmt! Und keine Ahnung, wo man sich in dieser Situation wie engagieren kann! Es gibt diese université populaire. Eigentlich eine gute Idee, den Streik positiv umzukehren indem man Seminare zu wichtigen gesellschaftlichen Themen organisiert. Und Filme und Konzerte. Den Streik nutzt, um Wissen zu vermitteln. Diese Bewegung scheint jedoch etwas verpönt bei den Studenten, weil organisiert von Leuten, die gar nicht „betroffen“ wären?

Inzwischen nervt es. Wer dran bleiben will, der kann nebenbei keine Berichte oder Artikel schreiben. Der müsste täglich an die Uni, in die AGs, auf die Straße. Könnte man schon schaffen, aber eben nicht mit Berichten und Artikeln im Nacken. Oder elendlangen Interviews, die transkribiert werden müssen. So kommt also nur die Hälfte der Informationen hier an. Die andere Hälfte ist grau und wird bemunkelt und macht mürbe.

Von 83 französischen Universitäten betrifft diese Situation fünfzehn. Nantes ist dabei. Vielleicht bis zum nächsten Generalstreik, am 19. März. Denn bisher gibt es von der Regierung keinerlei Reaktion auf die Fragen und Forderungen der Studenten. Seit sechs Wochen Schweigen im Walde. Und ich seh aber die Bäume nicht.

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