Ajaccio, Korsika.

Erntge hat Bock. Ist trotz Miezekatze auf der Schulter um Acht draußen. Frühstück und los. Ajaccio ist ein kleines Städtchen mit alter Festung und drumrum mit Nebelwolken verhangenen Bergen. Vorne klappern die Yachten und es gibt Parkplätze für fünf fette Kreuzfahrtschiffe. Dementsprechend gestaltet sich die Innenstadt: Bars, Postkartenstände, Restaurants, korsische Spezialitätenläden. Um neun Uhr morgens steht übrigens kein einziger Korse auf der Straße. Die gehört allein den Reisegruppen, Rentnern, und Biker-Touristen vom Schiff, die sich noch vor Erntge hinauf zur Bonaparte-Grotte keuchen. Glückwunsch!

Apropos Bonaparte. Das nervt schon. An vielen Briefkästen prangen politische Botschaften, wie „FN vite“. (Front National – schnell!) An einigen Stellen haben vernünftige Korsen (oder französische Touristen?) ein „FN Bite“ draus gemacht, was irgendwie erleichtert. Jeder Schüler des Lycée Fesche geht während seiner Ausbildung zweimal täglich an einer pompösen analogen Bonaparte-Leuchtwerbung vorbei. Auf der einen Seite glänzt Bonapartes Büste: Empereur de la Nation Française. Auf der Rückseite steht, was man der heranwachsenden Jugend besser ersparen sollte: Honneur et patrie – Ehre und Vaterland. Iiiiiihhh.

Bei der nachmittäglichen Bustour durch die korsischen Berge passiert etwas, was eigentlich sehr sehr lustig sein könnte und ein bisschen nach Erntges Geschmack: Die Reiseleiterin ist komplett durch, wahrscheinlich bekifft. Sie erzählt wirres Zeug dermaßen wirr, dass es sogar die pinken Omis in der Sitzreihe vor Erntge piekt und die entsprechend reagieren. Pikiert nämlich. Die Gäste hinter Erntge nehmen’s nicht so streng und lachen was das Zeug hält. – Bis die Klimaanlage ausfällt.

Bei 40 Grad im Touri-Reisebus durch kurvenreiche, nicht enden wollende Straßen mit einer kaputten Eso-Reiseleiterin zu fahren ist dann nicht so lustig wie Erntge dachte. Eigentlich ist es sogar unaushaltbar. Hab ich schon erwähnt, dass die Alte auf Schwäbisch lallte? In einem Sprechtempo, das diesen Namen gar nicht verdient? Über Kochrezepte und den guten Kampf der guten Korsen gegen das böse Frankreich. Über gute Menschen und ihr gutes Cannabis gegen schlechte Menschen in einer schlechten Welt. Über wie viel besser alles früher war und wie viel schlechter alles heute ist. Wie am Morgen eine Touristin ins Bonaparte-Denkmal gekotzt hätte und wie sich die Damen vom Markt darüber aufgeregt hätten. – Sowas kann sehr weh tun. Auch im Gehirn.

Am meisten weh tat Erntge die fragwürdige politische Haltung der Eso-Ursel. Die scheute sich nämlich nicht, mit ausgeschaltetem Gehirn alles zu verbalisieren, was ihr durch dessen kaputte Reste ging: 9/11 und wem das eigentlich weh tue, Libyen und dass es die Menschen unter Gadaffi ja gut gehabt hätten, wie sie jetzt erfahren habe. Eieiei. Warum ihr keiner das Mikrofon weggenommen hat, fragt Ihr? Ich glaub wegen der 40 Grad im Bus und der Unfassbarkeit der Situation. Erntge hat den Reflex drei bis viermal verspürt und ist doch nicht aufgestanden. Komisch, wie man manchmal Sachen aushält, ohne sich zu wehren.

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