Nicht in die Plastiktüte, Tanztheater kieken!

Auch wenn inzwischen alle ProD-Wahlplakate (Ihr wisst schon, die mit den durchgestrichenen Moscheen drauf und der großen Begeisterung für „Thilos Thesen“) im Kiez mit Farbbeuteln beschmissen und unkenntlich gemacht wurden, läuft nicht alles rosig. Im Gegenteil. Irgendwie is nur noch Mord, Totschlag und nun auch noch Bombe. Weil das keiner aushält, flüchtet sich Erntgi in die schönen Künste.

Eine besonders schöne Kunst findet Erntge grad Tanztheater, auch wenn ihr nicht klar ist, ob dieser Satz so geht. Im Hebbel am Ufer in Kreuzberg gibt’s immer sehr viel Tanztheater, und noch mehr, seit in Berlin Internationales Tanzfest ist. So zeigte auch Emanuel Gat gestern im HAU1 seine neueste Produktion „Brilliant Corners“. Und die hat sich Erntge angekiekt.

Klar muss sich ernt im Foyer immer erst gewöhnen an die kostümierten Hipgirls mit Sektglas in der einen und Kippchen in der anderen Hand. Und an die trendigen untergewichtigen Boys mit den schönen Zähnen. Und daran, dass vielleicht in der Reihe vor ihr genau die Leute sitzen, die immer ihre Bewerbungen ablehnen. Doch! Wenn dann das Licht ausgeht und so die Illusion anknipst, dann ist Erntge immer sehr bereit, sich auf alles einzulassen und wird ganz selten enttäuscht.

Tanztheater sieht gut aus. Sportliche und gesunde Körper wirbeln mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit über die Bühne, die sogar noch für das Publikum reicht. Das in den roten Samtpolstern auch ganz leicht wird und sich einen Teil der Verrenkungen schließlich selbst zutraut.

Tanztheater erzählt Geschichten. Weil es keinen Erzähler gibt, erzählt es die Geschichte, die man hören will. Ganz weit weg von zum Beispiel Orhan Pamuk (durch dessen Schnee sich Erntge grad quält), wird die Geschichte beim Tanztheater ohne Chronologie oder anderen roten Faden in flüchtigen Bildern erzählt. Kurzlebig und vergänglich; kaum wahrgenommen, verschwindet das Bild/die Idee, um sich wieder neu zu konkretisieren, neu zu formieren, einen anderen Zugang zu bieten. Und so kann es auch sein, dass am Ende die 361 Zuschauer ganzen 361 verschiedenen Geschichten zugeschaut haben. Erntge liebt sowas.

Tanztheater kann auch noch gut klingen. Emanuel Gat hat eigens für „Brilliant Corners“ eine Klangcollage angefertigt. Musik und Tanz verschmelzen und fangen alle Sinne ein. Abgeguckt hat er sich die Kompositionsmuster dafür von Thelonius Monk, den Erntge heiß und innig liebt. Juhu!

Erntge hat gestern verstanden, dass Impulse von außen wichtig sind, dass aus der Reihe tanzen eine Gruppe durchaus weiterbringen kann und dass all you need is love.

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