Nantes.


Groß und schwer. Erntgo steht vor der Tür, die sie vor Jahrzehnten mit lautem Knall zugeschmissen hatte. Die Wucht des Zuschmiss hatte damals eine Handvoll Lackfetzen in den Tod gestürzt. Träge waren die aufs Parkett gefallen, so trostlos und von einem sterbenden Grau, das Erntgi am Ende ganz wuschig gemacht hatte. Es hatte ihr nicht leid getan.

Und nun: hat der Mann mit dem Schlüssel neu gestrichen. Vom sterbenden Grau findet sich keine Spur mehr an der Tür. Erntgi hat sogar die Lupe ausgepackt und fühlt sich wie Sherlock Holmes. Dennoch: findet sie einfach keinen Überrest der alten Farbe unter dem frischen Anstrich. Einladend und munter wirkt die Tür, deren Rahmen und Knarzen Erntgi auswendig kennt.

Drinnen ist es wie immer anders. Da zwinkert der abgestandene Schreibtisch mit dem Abdruck von Erntgis alter Kaffeetasse. Die Flecken auf dem Teppich prusten Anekdoten und im Sperrmüllsessel sitzen jetzt Menschen, die Erntge zwar nicht kennt, deren Geschichten sie aber blindlings aufsagen kann. Das alte Bücherregal hat ein neues Kleid an. Das hat der Mann mit dem Schlüssel ausgesucht. Erntge weiß wieso und freut sich, dass sie ihr Lieblingsbuch jetzt immer bei sich trägt. Als sie sich in den Drehsessel setzt, wird Erntge kurz schwach. Rasanter Rundblick. Und noch einer! Noch einer! Als Erntge juchzt, wird ihr klar, dass sie hier mal sehr glücklich war. Und sehr traurig. Und sehr wütend und unsagbar verliebt und fassungslos und gespannt und dankbar und müde.

Neben der schönen Flügeltür aus Glas, durch die das Licht so herrlich fällt, dass einem ein bisschen schwindlig wird, steht ein kleiner Kaktus. Der ist neu. Wenn Erntgo wieder die Tür hinter sich schließt, will sie an den denken.

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